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Chronische Entzündung ausgelöst durch BMMFs als mögliche Ursache für Darmkrebs
BMMFs sind Teil einer Gruppe von Agenzien, die Eigenschaften von sowohl bakteriellen Plasmiden als auch von Viren aufweisen und sich in menschlichen Zellen replizieren können. Ursprünglich wurden sie von Wissenschaftlern um Ethel-Michele de Villiers in Rinderseren und Kuhmilchprodukten und in Läsionen einer Hirnautopsie eines Patienten mit multipler Sklerose entdeckt und isoliert (EM de Villiers et al. 2014 1-4). BMMFs können sich unabhängig vom menschlichen Erbgut in menschlichen Zellen vervielfältigen und kodieren für kleine Proteine wie z.B. Rep.
Epidemiologische Studien zeigen einen geographischen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Fleisch- und Milchprodukten bestimmter Arten von Rindern und dem Auftreten von Darmkrebs. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass andere häufige Krebsarten wie Brust-, Prostata- und Lungenkrebs bei Menschen, die viel Milch konsumieren, häufiger auftreten können (Referenzen in H zur Hausen et al. 2017 5). Daher diskutieren Forscher derzeit die Möglichkeit, dass es sich bei BMMFs um eine neue Form durch Rinder übertragener infektiöser Erreger handelt, die nach jahrzehntelanger, verborgener Präsenz indirekt zur Entstehung von Krebs, insbesondere von Darmkrebs beitragen können (H zur Hausen 2001 und 2009 6,7).
Die Ergebnisse legen nahe, dass BMMFs bzw. die davon abgelesenen Proteine wie beispielsweise Rep, als fremde Eiweiße im Gewebe chronische lokale Entzündungen hervorrufen. Entzündungszellen produzieren Sauerstoffradikale, die wiederum das Erbgut von teilungsaktiven Zellen im umgebenden Gewebe schädigen. So können Mutationen entstehen, die in der Folge die Krebsentstehung begünstigen (EM de Villiers et al. 2019 8). Auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie z.B. Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn ist ein erhöhtes Darmkrebsrisiko beschrieben.
Rep lässt sich im Gewebe mit spezifischen monoklonalen Antikörpern nachweisen. Tatsächlich konnten das Team der Forscher um Timo Bund, DKFZ, das Rep-Protein in der direkten Umgebung der Darmkrypten nachweisen (H zur Hausen et al. 2017 5). Dort, an der Basis der Krypten, liegen die teilungsaktiven Zellen, die die Darmschleimhaut regenerieren. Treten in diesen Zellen krebsfördernde Mutationen auf, so kann die Entstehung bösartiger Tumoren die Folge sein.
In Darmkrebsproben selbst hatten die Forscher Rep allerdings nicht gefunden – dafür aber regelmäßig in der unmittelbaren Nachbarschaft der Tumoren. Rep war häufig mit bestimmten Entzündungszellen, Makrophagen, assoziiert.
Um diese an einzelnen Gewebeproben erhobenen Befunde auf eine breite Basis zu stellen, überprüften Bund und Kollegen nun die Expression von Rep an Gewebeproben einer Kohorte von mehr als 250 Darmkrebspatienten und gesunden, krebsfreien Personen. Die Analyse von Gewebe-Arrays umfasste Tumorgewebeproben und auch Proben aus der direkten Tumorumgebung.
Außerdem wurden Proben von frühen sowie von fortgeschrittenen Darmkrebs-Vorstufen in die Untersuchung einbezogen. Neben Rep bestimmten die Forscher auch zwei Markermoleküle der Makrophagen, CD68 und CD163.
Bei 99 Prozent der Darmkrebspatienten fand das Team große Mengen an Rep in der unmittelbar an den Tumor angrenzenden Darmschleimhaut. In den Tumoren selbst war das BMMF-Protein jedoch so gut wie nicht nachweisbar. Auch die veränderten Zellen der frühen und der fortgeschrittenen Tumorvorstufen exprimierten nur wenig Rep – wohl aber das Gewebe in deren direkten Umgebung. Darm-Gewebeproben von gesunden, tumorfreien Spendern enthielten deutlich weniger Rep als die Proben aus tumornahem Gewebe von Darmkrebspatienten.
Außer in Darmkrebsgeweben konnte das Team um Harald zur Hausen, Ethel-Michele de Villiers und Timo Bund das BMMF Rep-Protein durch Gewebefärbung und Elektronenmikroskopie auch in tumornahen Geweben von Pankreas- und Lungenkrebspatienten nachweisen*.
Interessanterweise war das Rep-Signal häufig mit den Makrophagen-Markern assoziiert. Obwohl die Replikationsorte von BMMF nicht eindeutig identifiziert sind, wurden auch modifizierte BMMF-Genome aus dem entzündlich veränderten Colon-Gewebe identifiziert, die möglicherweise wiederum selbst Mutationen oder weitere schädliche Effekte auslösen könnten (EM de Villiers et al. 2019 8). Das gemeinsame Auftreten vom Rep und dem Makrophagen-Marker CD68 unterstützt das von den Forschern bereits zuvor beschriebene Modell einer BMMF-vermittelten indirekten Karzinogenese (H zur Hausen 2009 7). Es besagt, dass durch BMMF-hervorgerufene bzw. verstärkte chronisch entzündliche Prozesse, an denen Makrophagen als klassische Entzündungszellen beteiligt sind, die Entstehung von Krebs in der Nähe der BMMFs fördern können. Um dieses Modell zu stützen und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Rep-induzierten Entzündungen und der Darmkrebsentstehung zu bestätigen, sind weitere Forschungen erforderlich.
„Wir wollen mit weiteren Untersuchungen prüfen, ob das Ausmaß der Rep-Expression in entzündlichen Gewebebereichen möglicherweise als Risikomarker für Darmkrebs genutzt werden kann", sagt Timo Bund. „Wichtig wäre dafür zunächst eine Überwachung der Rep-Expression in Darmbiopsien, um die BMMF-spezifische Induktion von Darmkrebs besser zu verstehen. Bund ergänzt: „Die frühzeitige Erkennung von BMMF könnte Optionen für spezifische präventive oder therapeutische Intervention bieten."
Zitiert nach einer Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums vom 07.03.2023