Aktuelle Meldungen
Das Ziel klar vor Augen
- Unternehmer*innen und Beschäftigte können sich in Sachen Resilienz einiges von Sportler*innen abschauen.
- Sven Hannawald, ehemaliger Weltklasse-Skispringer, setzt auf Pausen, um psychisch gestärkt kleine und große Krisen zu meistern.
- Offen für Neues sein und festgesetzte Pläne sowie Methoden gelegentlich überdenken: das sorgt für den gewünschten Erfolg, ist sich das Triathleten-Ehepaar Nicole und Lothar Leder sicher.
- Situationskontrolle sorge für Resilienzfähigkeit, rät Ralf Lanwehr, Experte in Führungsthemen und Coach von Profifußball-Trainern.
Vierschanzentournee-Gewinner, Olympiasieger, vierfacher Weltmeister und Sportler des Jahres: Die Erfolgsliste des ehemaligen Leistungssportlers Sven Hannawald ist lang. Doch irgendwann war der Druck zu groß. Im Jahr 2005 verkündete der Skispringer das Ende seiner Karriere. Der Grund: Burnout. „So sehr der Körper auch wollte und konnte, der Kopf kam nicht mehr mit“, sagt Hannawald heute. Und so sprang er nicht mehr von Schanzen – sondern direkt in seine persönliche Krise. Heute nutzt der 46-Jährige seine Erfahrungen und berät Unternehmen im Bereich betriebliche Gesundheit. Er fokussiert in Vorträgen, Talks und Seminaren die psychische Gesundheit und gibt Impulse, wie Führungskräfte und Beschäftigte mental gesünder durch das Berufsleben kommen. Zudem ist er Botschafter der „Offensive Psychische Gesundheit“, die vom Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) initiiert wurde.
Viele ehemalige und aktive Sportler*innen widmen sich der Unternehmenswelt. Schließlich können Führungskräfte sowie Beschäftigte einiges von ihnen lernen. Eine Studie der EBS Universität für Wirtschaft und Recht zeigt zum Beispiel, dass ehemalige Leistungssportler*innen besondere Fähigkeiten für den Beruf mitbringen. Sie seien karriereorientiert, diszipliniert und engagiert, schreiben die Autor*innen. Die Studie bestätigt ebenfalls, dass die Stress- und Frustrationstoleranz bei Sportler*innen höher ist. Eigenschaften, die voranbringen – und Menschen widerstandsfähiger machen. Das ist wichtig, um gestärkt aus Krisen hervorzugehen.
Pausen sind das A und O
Im Sport geht es um Leistungsrekorde, im Unternehmen um Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit. Daraus entstehender Leistungsdruck kann Menschen schnell an ihre mentalen Grenzen bringen. Hannawald hat aus seiner persönlichen Krise gelernt – und empfiehlt Pausen. „Nur wer sich zwischendurch mal rausnimmt und sich mit Dingen beschäftigt, die Spaß machen, stärkt seine Psyche langfristig“, sagt er. Dabei gelinge das Abschalten am besten an der frischen Luft, und das vor allem ohne Smartphone, Laptop und Co. „Menschen machen oft den Fehler und setzen sich nach Feierabend bewegungslos aufs Sofa, um eine Serie zu schauen. Der Körper kann sich aber so nicht regenerieren, kann Energie nicht abbauen. Das schlägt am Ende wiederum auf die Psyche – und so steckt man fest im Teufelskreis“, sagt er. Das Leben, beruflich sowie privat, sei ein Marathon und kein Sprint. Kräfte müsse man sich gut einteilen.
Doch oftmals bremst der innere Schweinehund aus. Das Resultat zeigt sich nach Feierabend: Das Bewegen an der frischen Luft bleibt aus. Dinge, die Spaß machen, werden auf andere Tage verschoben. Auch hier lohne sich ein Blick in die Sportwelt, sagt Hannawald. „Disziplin kann man lernen. Jeder hat die innere Stimme, die einen von Aktivitäten abhalten möchte – und jeder muss sich hier und da aufraffen.“ Auch er habe nach Krafttrainings oft keine Lust gehabt, nochmal eine Runde Laufen zu gehen. Doch das Überwinden mit der nötigen Disziplin habe sich gelohnt. „Am Ende wurde ich mit tollen Laufrunden und einem Lächeln auf den Lippen belohnt“, berichtet er. Sportler*innen bleibt oft keine andere Möglichkeit, als sich aufzuraffen und diszipliniert zu sein. Das können sich Führungskräfte und Beschäftigte gut abschauen. „Irgendwann ist die Disziplin verinnerlicht“, verspricht Hannawald. „Und dann kann jeder von den positiven Ergebnissen des Abschaltens und der frischen Luft zehren.“
Fehler akzeptieren – und direkt aus ihnen lernen
Auch beim Umgang mit Fehlern und Niederlagen können sich Vertreter*innen aus der Unternehmenswelt einiges abschauen, sind sich Nicole und Lothar Leder sicher. Sie haben gemeinsam knapp 40 Jahre Triathlon-Erfahrung und beraten Sportler*innen genauso wie Menschen in Unternehmen. Schnelle Entscheidungen stehen im Sport im Fokus. „Wir halten uns nicht mit einem schlechten Rennen auf“, sagt Lothar Leder. „Es gibt immer ein neues Rennen, und bei dem können wir dann die Fehler der vergangenen vermeiden.“ Diese Denkweise empfiehlt er auch den Vertreter*innen der Arbeitswelt.
Aufpassen sollten Führungskräfte sowie Beschäftigte beim Thema Verbissenheit. Zwar sind festgesetzte Ziele und ausgeklügelte Wege dorthin wichtig – allerdings ist das „starre Festhalten an einer Sache“ oftmals problematisch und bremst aus, ist sich Nicole Leder sicher. Die Lösung: sich für Neues öffnen. „Bei uns im Sport sind das neue Trainingsmethoden, die immer verfeinert werden“, sagt sie.
Kommunikation: Situationskontrolle durch konstruktives Feedback
Trainer*innen beobachten Teammitglieder in Trainings genau – und geben direkt und unverblümt Feedback. Worin sind sie besonders stark? Und woran sollten sie arbeiten, um beim nächsten Wettkampf oder Spiel in der Startmannschaft zu sein? Genau bei dieser direkten Feedbackkultur sollten Vertreter*innen aus der Unternehmenswelt genauer hinschauen, empfiehlt der Psychologe Ralf Lanwehr, Professor für Management an der Fachhochschule Südwestfalen. Er lehrt Führungsthemen – und coacht namhafte Größen der deutschen Profifußballwelt. Sein Schlagwort beim Thema Resilienzfähigkeit: Situationskontrolle – und zwar dafür, Krisen von vornherein zu vermeiden. „Haben Menschen das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, fallen sie in eine Art Ohnmacht“, weiß er. „Und die endet oft in Krisen. Wissen Spieler*innen ebenso wie Mitarbeiter*innen allerdings genau, wo sie stehen, was sie verbessern können und wie man sie einschätzt, verleiht das eine Sicherheit und motiviert, an sich zu arbeiten und sich zu verbessern.“
Beim Feedback selbst geht es für Mitarbeiter*innen vor allem darum, konstruktiv mit Niederlagen und Fehlern umzugehen. „In der Sportwelt ist das normal. Man muss sich auch mal blutige Nasen abholen, das weiß jeder“, sagt Lanwehr. „Hier können nicht nur Mitarbeiter*innen an ihrer eigenen Einstellung arbeiten, sondern Führungskräfte können auch ein sogenanntes Growth-Mindset, also eine Wachstumsmentalität, fördern.“ Sie können den Rücken stärken, motivieren, wertschätzend Führen und Sicherheit bieten. „Das gelingt mit Formulierungen und Einstellungen à la: ‚Hey, probiere es immer und immer wieder. Und beim zwanzigsten Versuch schaffst du es. Aber hab‘ im Hinterkopf: Ich stehe hinter dir‘“, sagt Lanwehr.
Zusatz: Impulse für Trainer*innen und sportliche Leiter*innen
Leistungssport und Unternehmertum liegen nah beieinander. Das zeigen die Gespräche mit den Expert*innen. Insbesondere Führungskräfte haben eine enorme Aufgabe, wenn es um die psychische Gesundheit geht –in der Sport- UND in der Unternehmenswelt. Fest steht: Unternehmer*innen können viel aus der Sportwelt lernen – doch das gilt auch andersherum. Wie? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat gemeinsam mit INQA eine neue Broschüre herausgebracht. Der Titel: „Respektvoll Führen im Leistungssport“. Sie dient als Arbeitshilfe für den wertschätzenden Umgang mit Sportler*innen.
Zitiert nach einer Meldung der Initiative neue Qualität der Arbeit vom 01.09.2021