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Erste erfolgreiche Studie zur Früherkennung von HPV-bedingtem Krebs im Rachenraum

Screening-Untersuchungen zur Früherkennung seltener Erkrankungen scheitern oft an unzureichender Vorhersagekraft der Ergebnisse. Beim seltenen HPV-bedingten Rachenkrebs setzten Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebs­forschungs­zentrum nun in einer Mach­bar­keits­­studie auf den kombinierten Nachweis von Antikörpern gegen zwei verschiedene Virusproteine. Damit konnten sie den positiven Vorhersagewert der Testergebnisse deutlich verbessern.

Bösartige Tumoren im Mund-Rachenraum, in der Fachsprache Oropharynxkarzinom, sind selten und werden in Deutschland jedes Jahr nur bei 5 bis 10 von 100.000 Einwohnern diagnostiziert. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. Als Risikofaktoren für diese Krebserkrankung wurden Alkohol- und Tabakkonsum sowie die Infektion mit krebserregenden humanen Papillomviren (HPV) identifiziert. In Deutsch­land geht etwa die Hälfte aller Oropharynx­karzinome auf das Konto von HPV, in der Hauptsache ist HPV16 beteiligt. Jedoch tritt die Krebsart in der westlichen Welt seit einigen Jahren immer häufiger auf, weil die Rate an HPV-bedingten Tumoren sehr schnell steigt.

Oropahrynxkarzinome bilden keine bekannten Vorläufer-Läsionen und werden daher meist erst spät fest­gestellt, wenn sie sich schon in benachbarte Lymphknoten ausgebreitet haben. Wissen­schaftler suchen daher nach Möglichkeiten, anhand von Biomarkern Hochrisiko­patienten zu identifizieren, bei denen eine regelmäßige Früherkennungs­unter­suchung durch einen HNO-Arzt zu einer möglichst frühen Entdeckung der gefährlichen Erkrankung beitragen könnte.

„Bei über 90 Prozent aller Patienten mit HPV-bedingten Oropharynxkarzinomen sind Serum-Antikörper gegen das HPV16-Protein E6 nachweisbar", sagt Tim Waterboer vom Deutschen Krebsforschungs­zentrum. Doch der Virologe und Epidemiologe weist auf ein grundsätzliches Problem bei Screening-Unter­suchungen auf seltene Erkrankungen hin: „Da HPV-bedingte Oropharynxkarzinome in der breiten Bevölkerung so selten sind, ist die positive Vorhersage­kraft eines HPV16 E6-Nachweises vergleichsweise gering. Das heißt, von den Menschen, die Antikörper gegen HPV16 E6 aufweisen, wird die überwiegende Mehrheit nicht an HPV-bedingtem Krebs erkranken."

Die Wissenschaftler um Waterboer hatten die Beobachtung gemacht, dass Menschen mit HPV-bedingten Oropharynxkarzinomen nicht nur Antikörper gegen HPV16 E6, sondern auch gegen andere HPV16 Proteine ausbilden, die während der Frühphase der Virusinfektion gebildet werden (insb. E1, E2, E7). Bei Personen, die nicht an HPV-bedingten Tumoren erkrankt sind, findet sich die Situation so gut wie nie.

„Unsere Hypothese war, dass ein kombinierter Nachweis von Antikörpern gegen HPV16 E6 und mindes­tens einem weiteren frühen HPV16-Protein die Vorhersagekraft einer Screening-Untersuchung deutlich verbessern könnte", so Waterboer.

Diese Annahme konnten Waterboer und Kollegen an Teilnehmern der Hamburg City Health Study nach­prüfen, einer der größten deutschen Gesundheitsstudien. Blutproben von 4424 Teilnehmern, die zwischen 2016 und 2017 in die Studie rekrutiert worden sind, wurden auf die Antikörperkombination getestet. Bei 35 Personen (0,8 Prozent) fanden die Forscher Antikörper gegen HPV16 E6. Doch nur elf der Teilneh­merinnen und Teilnehmer (0,3 Prozent) waren seropositiv für HPV16 E6 plus ein weiteres frühes HPV16-Protein.

Diese elf Hochrisiko-Personen wurden anschließend im sechsmonatigen Abstand zu regel­mäßigen Unter­suchungen in die Klinik für Hals-, Nasen und Ohrenheilkunde am Universitäts­klinikum Hamburg-Eppendorf eingeladen. Neun der Teilnehmer nahmen diese Untersuchungen wahr. Dabei wurden in den folgenden 1,3 Jahren bei drei symptomlosen Teilnehmern HPV-bedingte Oropharynxkarzinome diagnos­tiziert. Die Krebs­erkrankungen wurden im Stadium 1 entdeckt und konnten erfolgreich behandelt werden.

„Bei diesem Screening geht es um eine Früherkennung, die vor allem die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessert. Typische Folgen nach der Behandlung von großen Tumoren sind z.B. Schluck- und Sprachstörungen, die die Lebensqualität der Betroffenen massiv einschränken. In einem frühen Stadium können Oropharynxkarzinome vergleichsweise schonend behandelt werden, so dass die Patienten kaum therapiebedingte Einschränkungen haben", so Waterboer.

Er betont, dass es sich bei der aktuellen Arbeit um eine Machbarkeitsuntersuchung handelt. „Vielfach bestand die Erwartung, dass ein Screening auf Oropharynxkrebs auf Grund der Seltenheit der Erkrankung unweigerlich zu einer inakzeptabel hohen Rate von falsch positiven Ergebnissen führen würde. Diese Befürchtung konnten wir durch die kombinierte Antikörper-Analyse ausräumen."

Als nächstes wollen Waterboer und Kollegen weitere Biomarker und klinische Untersuchungen sowie bild­gebende Verfahren in die Untersuchung mit aufnehmen, um die optimalen Bedingungen für ein Screening auf HPV-bedingten Oropharynxkrebs zu definieren. Erst dann wird sich abschätzen lassen, ob ein bevöl­kerungs­weiter Einsatz einer solchen Früh­erken­nungs­unter­suchung unter medizinischen und auch öko­nomischen Aspekten sinnvoll sein könnte.

Chia-Jung Busch, Anna Sophie Hoffmann, Daniele Viarisio, Benjamin T. Becker, Thorsten Rieckmann, Christian Betz, Noemi Bender, Lea Schroeder, Yassin Hussein, Elina Petersen, Annika Jagodzinski, Ines Schäfer, Eike Burandt, Krystle Lang Kuhs, Michael Pawlita, Tim Waterboer, Nicole Brenner: Detection of stage I HPV-driven oropharyngeal cancer in asymptomatic individuals in the Hamburg City Health Study using HPV16 E6 serology – a proof-of-concept study.
eClinical Medicine 2022, DOI: https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2022.101659

Zitiert nach einer Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums vom 28.09.2022