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Fast ein Drittel der Bevölkerung leidet unter Rückenschmerzen
26,2 Millionen Patientinnen und Patienten in Deutschland waren im Jahr 2021 mit Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung – und damit fast ein Drittel der Bevölkerung (31,4 Prozent). Das zeigt der aktuelle Gesundheitsatlas des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), der erstmals die regionale Verteilung von Rückenschmerzen bis auf die Ebene der Kreise und kreisfreien Städte transparent macht. Danach war die Prävalenz im thüringischen Kreis Suhl mit 45,8 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in der Stadt Potsdam mit 21,3 Prozent. „Der Gesundheitsatlas kann den Akteuren vor Ort Hinweise geben, welche Veränderungen an den Verhältnissen vor Ort nützlich sein können, um die Krankheitshäufigkeiten zu senken“, so Helmut Schröder, Geschäftsführer des WIdO. Einen möglichen Ansatzpunkt bieten dabei die Präventionsangebote im betrieblichen Kontext, die Risikofaktoren für die Entstehung oder Chronifizierung von Rückenschmerzen verhindern.
Die niedrigsten Krankheitshäufigkeiten gibt es laut Gesundheitsatlas mit 21,3 Prozent in Potsdam, gefolgt von Darmstadt mit 22,6 Prozent und Heidelberg mit 22,8 Prozent. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen ländliche Regionen wie Suhl mit 45,8 Prozent, Hildburghausen mit 43,8 Prozent und Sonneberg mit 42,3 Prozent. Der Nordosten Bayerns sowie einige Regionen Thüringens und Sachsen-Anhalts sind besonders stark betroffen. Auch nach Bereinigung der Alters- und Geschlechtsstruktur bleiben die Unterschiede beim Vergleich der Kreise und kreisfreien Städte bestehen.
Krankheitshäufigkeit steigt mit dem Alter und Frauen sind häufiger betroffen
Ärztlich dokumentierte Rückenschmerzen sind laut Gesundheitsatlas bereits bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorhanden, nehmen jedoch mit steigendem Alter zu. Bei Frauen über 65 Jahren ist immerhin jede Zweite betroffen, bei Männern wird dieser Wert erst ab einem Lebensalter von 80 Jahren erreicht. Jedoch haben auch jüngere Erwachsene im erwerbstätigen Alter Rückenbeschwerden: Im Alter zwischen 30 und 35 Jahren leiden bereits 27 Prozent der Frauen und 22 Prozent der Männer darunter. „Damit sind Rückenschmerzen eines der häufigsten Gesundheitsprobleme in Deutschland“, sagt Helmut Schröder. „Die volkswirtschaftlichen Folgen der Belastung durch Rückenschmerzen sind beachtlich.“
Große Belastungen für die Wirtschaft durch Ausfälle wegen Rückenschmerzen
Laut Krankheitskostenstatistik entfielen im Jahr 2022 11,6 Milliarden Euro und damit 2,8 Prozent der Krankheitskosten auf Rückenleiden. Außerdem gehen 14 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage auf Rückenschmerzen zurück. So ergaben sich für das Jahr 2022 auf die 34,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland umgerechnet 96,7 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von Rückenschmerzen. Die Produktions-Ausfallkosten wegen der Fehltage durch Rückenschmerzen beliefen sich im Jahr 2022 auf 12,4 Milliarden Euro. Der Anteil der Rückenschmerzen an den gesamten volkswirtschaftlichen Kosten durch Arbeitsunfähigkeit beläuft sich somit auf 14 Prozent. Seit 2017 bleibt die Prävalenz von Rückenschmerzen auf einem konstant hohen Niveau. „Angesichts von zunehmend älter werdenden Belegschaften in Deutschland sollten Risikofaktoren, die mit der Entstehung oder Chronifizierung von Rückenschmerzen in Zusammenhang stehen, möglichst frühzeitig adressiert werden“, so Helmut Schröder.
Regionen mit mehr materieller und sozialer Benachteiligung stärker betroffen
Materiell und sozial benachteiligte Menschen leiden häufiger unter Rückenschmerzen als Menschen mit einem hohen sozialen Status. „Faktoren wie Einkommen, Beschäftigung oder Bildung kommen daher in der unterschiedlichen Rückenschmerz-Häufigkeit zwischen Land und Stadt zum Tragen“, betont Helmut Schröder. So seien ländliche Regionen oft jene, in denen die materiellen und sozialen Ressourcen eingeschränkt seien. Ökonomisch und sozial besonders benachteiligte („deprivierte“) Regionen weisen laut Gesundheitsatlas mit 34,2 Prozent eine höhere Rückenschmerzprävalenz auf als Regionen mit der besten materiellen und sozialen Ausgangssituation. Dort liegt der Wert nur bei 28,8 Prozent. Im „fairen“ Vergleich unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Alters- und Geschlechtsstrukturen der Bevölkerung in den Regionen bleibt der Zusammenhang zwischen Rückenschmerzen und der sozioökonomischen Lage weitgehend bestehen.
Regionen mit vielen adipösen Personen stärker belastet
Auch Übergewicht ist ein Risikofaktor für die Entstehung oder Chronifizierung von Rückenschmerzen. Im Gesundheitsatlas wurden daher die Zusammenhänge zwischen ärztlich dokumentierter Adipositas und Rückenschmerzen auf regionaler Ebene untersucht. Diese Analysen bestätigen die aus der wissenschaftlichen Literatur bekannten Zusammenhänge: In Regionen mit einem höheren Anteil adipöser Personen sind auch mehr Menschen von Rückenschmerzen betroffen. So liegt die Prävalenz von ärztlich dokumentierten Rückenschmerzen in Regionen mit hohem Adipositas-Anteil bei 35,9 Prozent, in Regionen mit niedrigem Adipositas-Anteil dagegen nur bei 28,2 Prozent.
Zum Hintergrund
Was sind Rückenschmerzen?
Alle Schmerzen von der Halswirbelsäule bis zum Steißbein werden als Rückenschmerzen bezeichnet. Es wird dabei zwischen den spezifischen Rückenschmerzen, die auf eine Ursache wie Verletzungen oder Vorerkrankungen zurückzuführen sind, und den unspezifischen Rückenschmerzen, die keine erkenntliche Ursache haben, unterschieden. Die Gründe für spezifische Rückenschmerzen können von Brüchen über Infektionen bis hin zu Herzinfarkten oder Nierensteinen reichen. Den Großteil der Fälle machen aber die unspezifischen Rückenschmerzen aus.
Der Schweregrad von Rückenschmerzen wird nach der Schmerzintensität und der funktionellen Beeinträchtigung der Beweglichkeit eingeteilt. Meist liegen nur leichte Beschwerden vor. Weiterhin wird nach der Dauer der Schmerzsymptomatik unterschieden in akute (bis zu 6 Wochen), subakute (6 bis 12 Wochen) sowie chronische Beschwerden (ab 12 Wochen). Die Häufigkeit chronischer Beschwerden steigt mit dem Alter deutlich an.
Im Gesundheitsatlas werden Zahlen zur Häufigkeit von ärztlich dokumentierten Rückenschmerzen dargestellt. Diese basieren auf Krankenkassenroutinedaten, in denen nur Patientinnen oder Patienten mit Rückenbeschwerden erfasst sind, wenn sie ärztliche Hilfe in Anspruch genommen haben. Darüber hinaus erfolgte jedoch keine Einschränkung nach Lokalisation, Intensität oder Dauer der Beschwerden.
Risikofaktoren und Prävention: körperliche Aktivität steigern
Neben einem höheren Alter gibt es verschiedene Risikofaktoren, die mit der Entstehung oder Chronifizierung von unspezifischen Rückenschmerzen in Zusammenhang stehen. Dazu zählen psychosoziale Faktoren (wie Depressionen, Stress, Ängstlichkeit), arbeitsplatzbezogene Faktoren (starke körperliche Belastung, Unzufriedenheit am Arbeitsplatz), sowie Rauchen und Übergewicht. Allerdings reicht die Evidenz noch nicht aus, um klare kausale Schlüsse aus diesen Zusammenhängen ziehen zu können, was sich auch in den Präventionsmöglichkeiten widerspiegelt. Die beste Evidenz für effektive Präventionsmaßnahmen liegt für regelmäßige körperliche Aktivität vor. Bei berufstätigen Betroffenen sind zusätzlich geeignete Maßnahmen am Arbeitsplatz sinnvoll. Dazu zählen eine möglichst ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes, die Vermeidung einer Körperfehlhaltung und des Hebens schwerer Lasten sowie psychologische Maßnahmen wie die Förderung der Arbeitsplatzzufriedenheit. Nicht eindeutig belegt ist, ob man Rückenschmerzen bzw. deren Chronifizierung vorbeugen kann, indem weniger geraucht wird. Empfehlenswert ist ein Rauchverzicht jedoch trotzdem, da er erwiesenermaßen viele andere gesundheitliche Vorteile hat.
Wenn unspezifische Rückenschmerzen vorliegen, ist regelmäßige körperliche Aktivität wichtig: Bewegungstherapie hat nachgewiesenermaßen positive Effekte auf Schmerzen und Funktionsfähigkeit bei subakuten und chronischen Rückenschmerzen. Patientinnen und Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen sollten daher regelmäßige körperliche Aktivität aufnehmen bzw. beibehalten.
Der „Gesundheitsatlas Deutschland Rückenschmerzen" steht Ihnen hier zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Zitiert nach einer Pressemitteilung des WIdO – Wissenschaftliches Institut der AOK vom 22.11.2023