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Gesundheit von Migrant*innen leidet stärker bei Arbeitsplatzverlust
Die aktuelle Studie von Silvia Loi und Kolleg*innen untersucht anhand von Daten des deutschen Sozio-oekonomischen Panels, wie sich Lebensereignisse wie Arbeitsplatzverlust und Scheidung auf die Gesundheit von Migrant*innen auswirken. Sie fanden heraus, dass sich die Gesundheit von Migrant*innen mit zunehmendem Alter schneller verschlechtert und sich der Verlust des Arbeitsplatzes stärker und nachhaltiger auf die Gesundheit von Zuwanderer*innen auswirkt, insbesondere bei Männern.
Einschneidende Lebensereignisse haben einen starken Einfluss auf die Gesundheit eines Menschen. Der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Scheidung sind extrem belastende Lebensereignisse, die langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden haben. Einige Menschen sind besser in der Lage, solche Krisen zu bewältigen, weil sie über solide soziale und wirtschaftliche Ressourcen verfügen, die ihnen helfen, die Herausforderungen des Lebens zu meistern. Migrant*nnen können oft nicht auf ein so ausgeprägtes Netzwerk zurückgreifen, für sie haben diese Einschnitte schwerwiegendere Folgen.
In einer aktuellen Studie haben Silvia Loi, Peng Li und Mikko Myrskylä vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) untersucht, wie sich die Gesundheit von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund nach einer Scheidung oder dem Verlust des Arbeitsplatzes entwickelt. „Der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Scheidung wirken sich immer negativ auf die Gesundheit einer Person aus, aber diese Auswirkungen sind nicht in allen Bevölkerungsgruppen gleich. In dieser Studie haben wir die Hypothese getestet, dass negative Ereignisse die Gesundheit von zugewanderten Menschen stärker beeinträchtigen als die der in Deutschland geborenen Bevölkerung und dass diese Auswirkungen länger anhalten", erklärt Silvia Loi.
Anfängliche Gesundheitsvorteile verschwinden und kehren sich um
Die Daten für die Studie stammen aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) und konzentrieren sich auf den Zeitraum von 1984 bis 2017. Die Wissenschaftler*innen analysierten die Selbsteinschätzung der Teilnehmenden zu ihrer Gesundheit und ihrem allgemeinen Wohlbefinden. „Wir zeigen, dass Menschen, die nach Deutschland einwandern, in jungen Jahren gesünder sind als die in Deutschland geborene Bevölkerung. Dieser Vorteil nimmt jedoch mit zunehmendem Alter ab, und mit zunehmendem Alter verschlechtert sich der Gesundheitszustand der Zuwanderer*innen im Vergleich zur in Deutschland geborenen Bevölkerung deutlich. Zudem ist diese stärkere Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei Migrant*innen deutlich ausgeprägter, wenn sie negative Lebensereignisse wie Scheidung oder Arbeitsplatzverlust erleben", erklärt die Wissenschaftlerin.
Stärkere Verschlechterung der Gesundheit vor allem bei männlichen Zuwanderern
Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Hypothese, dass sich negative Lebensereignisse bei Migrant*innen deutlich stärker auf die Gesundheit auswirken als bei Nicht-Migrant*innen. „Wir haben festgestellt, dass sich der Verlust des Arbeitsplatzes nachhaltiger und schwerwiegender auf die Gesundheit auswirkt, insbesondere bei männlichen Migranten. Bei Frauen sind die Unterschiede in den gesundheitlichen Auswirkungen zwischen Migrantinnen und Nicht-Migrantinnen nicht so signifikant. Wenn Migranten jedoch bereits geschieden waren, bevor sie ihren Arbeitsplatz verloren, sind die gesundheitlichen Auswirkungen stärker als bei Nicht-Migranten", sagt Loi.
Diese Ergebnisse geben Aufschluss darüber, warum sich der Gesundheitszustand von Zuwanderern im Alter verschlechtert und dass sie im Laufe ihres Lebens doppelt benachteiligt sind. Zuwanderer*innen sind häufiger als Nichtzuwanderer*innen von negativen Lebensereignissen wie Arbeitslosigkeit betroffen, und diese Ereignisse wirken sich in der Regel stärker auf ihre Gesundheit aus als bei in Deutschland geborenen Menschen. „Unsere Ergebnisse weisen auf die Notwendigkeit hin, bei der Erforschung der Gesundheit von Migrant*innen negative Ereignisse als zusammenhängend zu betrachten“, sagt Silvia Loi. „Denn die unabhängige Betrachtung von Ereignissen setzt voraus, dass individuelle Merkmale und Umstände in einem Vakuum auftreten und sich nicht gegenseitig beeinflussen, was eine Reihe von ernsthaften Einschränkungen bei der Erklärung der Komplexität der sozialen Welt mit sich bringt“.
Mehr Forschung notwendig
„Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse, unterstreicht aber auch die Notwendigkeit, die Mechanismen des ungesunden Alterns von Migrant*innen genauer zu untersuchen“, erklärt Silvia Loi. In Zukunft sollte sich die Forschung auf die Rolle anderer möglicher Erklärungsfaktoren konzentrieren: Wie und warum die Menschen eingewandert sind, welche Berufe sie ausüben, welche Rolle die Familie spielt – all dies sind Faktoren, die den individuellen Gesundheitsverlauf von Migrant*innen beeinflussen und bisher nicht untersucht wurden. Die aktuelle Studie bildet den Ausgangspunkt für weitere Forschungsarbeiten, die von der neu eingerichteten Forschungsgruppe Migration und gesundheitliche Ungleichheiten unter der Leitung von Silvia Loi durchgeführt werden sollen. Die Forschungsgruppe wird durch einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) finanziert. Für ihr Projekt erhält Loi rund 1,5 Millionen Euro, um gesundheitliche Ungleichheiten zwischen Einwanderer*innen und Einheimischen in alternden Gesellschaften zu untersuchen.
Original Publikation
Silvia Loi, Peng Li, Mikko Myrskylä: At the Intersection of Adverse Life Course Pathways: The Effects on Health by Migration Status in Demography (2024), DOI: https://doi.org/10.1215/00703370-11314758
Zitiert nach einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) vom 15.05.2024