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Plötzlicher Herztod bei jungen Menschen – wie davor schützen?
Der plötzliche Herztod ist die häufigste Todesursache außerhalb von Krankenhäusern. Jedes Jahr sterben in Deutschland über 65.000 Menschen daran. Bei einem Großteil der Betroffenen bestand eine langjährige Erkrankung der Herzkranzgefäße, die koronare Herzkrankheit (KHK). „Das hat den Effekt, dass der plötzliche Herztod und seine Ursachen von vielen Menschen eher als ein Problem des Alters wahrgenommen werden, weil die KHK als Risikokrankheit für den plötzlichen Herztod meistens erst bei älteren Menschen konkret in Erscheinung tritt. Aber nicht für alle Betroffenen des plötzlichen Herztods ist das der Fall“, berichtet Herzspezialist Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „Auch junge sportliche Menschen unter 40 Jahren erleiden, wenn auch selten, einen plötzlichen Herztod. Plötzlich und unerwartet kommt es bei ihnen meist ohne die bekannten vorherigen Warnzeichen zum Herzstillstand“, warnt Voigtländer. Das führte etwa der prominente Fall des dänischen Profifußballers Christian Eriksen vor Augen. Dieser bekam während der EM 2021 auf dem Rasen einen plötzlichen Herztod, den er dank schneller professioneller Reanimation überlebt hat. „Wir sehen für diese junge Risikogruppe dringlichen Aufklärungsbedarf, etwa zu den ganz spezifischen Ursachen, die hier einen plötzlichen Herztod bedingen können“, betont der Kardiologe und Intensivmediziner.
Das Aufklären der Bevölkerung und ein besseres Verständnis der Ursachen des plötzlichen Herztods bei jungen Menschen durch mehr Forschung stehen daher im Fokus der neuen Initiative „Gemeinsam gegen den plötzlichen Herztod“. Die Deutsche Herzstiftung, das Zentrum für plötzlichen Herztod und familiäre Arrhythmiesyndrome am Universitätsklinikum Frankfurt am Main und das Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes starten diese Initiative gemeinsam unter anderem mit Informationen für betroffene Familien und Interessierte unter herzstiftung.de/junge-herzen-retten
Plötzlich und unerwartet sterben 1.000 bis 2.000 junge Menschen pro Jahr
In etwa 40 Prozent der Fälle sind die Betroffenen eines plötzlichen Herztodes im Alter zwischen 15 und 65 Jahren. Im Alter von 1 bis 40 Jahren rechnen Experten mit jährlich 1.000 bis 2.000 Todesfällen durch plötzlichen Herztod in Deutschland – bei hoher Dunkelziffer. Im Sport liegt die Häufigkeit bei 1 bis 2 Todesfällen pro 100.000 Sporttreibenden pro Jahr. Ursachen des Herztodes im jungen Alter sind meistens angeborene Herzfehler, Veränderungen der Herzkranzgefäße (Koronaranomalien), Herzmuskelentzündung (Myokarditis) und vor allem genetisch bedingte Herzerkrankungen. Aber auch Drogenkonsum (z. B. Kokain, Amphetamine) zählt zu den Ursachen in diesem Lebensabschnitt. „Dass auch junge Menschen dem plötzlichen Herztod – wenn auch selten – zum Opfer fallen können, wissen viele nicht. Der plötzliche Herztod bei jungen, scheinbar gesunden Menschen scheint meistens das erste Anzeichen der zugrundeliegenden Erkrankung zu sein, weil die genannten Herzerkrankungen lange ohne eindeutige Beschwerden verlaufen können“, erklärt Prof. Dr. Silke Kauferstein, Leiterin des Zentrums für plötzlichen Herztod und familiäre Arrhythmiesyndrome am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt am Main. „Aufgrund der erblichen Komponente dieser lebensgefährlichen Herzereignisse müssen wir potenzielle Risikogruppen in der Bevölkerung für diese Thematik sensibilisieren.“
Den plötzlichen Herztod besser verstehen: Bundesweites Register für Prävention
Am Zentrum für plötzlichen Herztod bauen Prof. Kauferstein und ihr Team ein bundesweites Register für die Prävention plötzlicher Herztodesfälle „RESCUED“ (REgister zur Prävention des Sudden/UnExpected Cardiac Death) auf, ein Projekt, das auch von der Herzstiftung mit rund 100.000 Euro gefördert wird (Infos: herzstiftung.de/junge-herzen-retten). „Unser gemeinsames Ziel ist es, auf Basis der Register-Daten zu einem besseren Verständnis der Ursachen des plötzlichen Herztods bei jungen Menschen zu gelangen, um datenbasiert Risikofaktoren für plötzliche Herztodesfälle zu erkennen und gezielte personalisierte Präventionsstrategien entwickeln zu können“, erklärt der Herzstiftungs-Vorsitzende Voigtländer die umfangreiche Förderung. Im Fokus der Untersuchungen stehen insbesondere erbliche Genvarianten als Auslöser bösartiger Herzrhythmusstörungen in den Herzkammern, die zum Herzstillstand führen. Um plötzliche Herztodesfälle wissenschaftlich auszuwerten, ist eine möglichst breit aufgestellte Datenbasis nötig. Daher arbeitet das Frankfurter Zentrum mit anderen Registern zusammen, u. a. mit dem Sudden Cardiac Death (SCD)-Register Deutschland unter der Leitung von Prof. Dr. Tim Meyer, Ärztlicher Direktor des Instituts für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes. Die Herzstiftung ist Partner auch dieses SCD-Registers.
Familienangehörige als mögliche Risikopatienten: Gen-Untersuchung kann schützen
Genvarianten zählen zu den häufigsten Ursachen des plötzlichen Herztods im jungen Alter. Zugleich stellen sie einen großen Anteil an plötzlichen Herztodesfällen, die trotz Obduktion ungeklärt bleiben: 40 Prozent der Herztodesfälle bei den 1- bis 40-Jährigen. Diese Fälle werden auch „Sudden Arrhythmic Death Syndrome“ (SADS) genannt. Hinter SDAS können sich Genvarianten verbergen, die zu elektrischen Herzerkrankungen, so genannten Inonenkanalerkrankungen, mit Potenzial für bösartige Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern führen. Dazu gehören zum Beispiel das Long-QT-Syndrom (LQTS), das Brugada-Syndrom (BrS), die Katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie (CPVT). Andere Genvarianten können aber auch zu strukturellen Veränderungen des Herzmuskels (Kardiomyopathien) führen wie beispielsweise der Arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVC). Am Beispiel der Mainmetropole Frankfurt schätzen Experten die Zahl der Patienten mit LQTS auf etwa. 300 und mit BrS auf 76 bis 230.
Bei ungeklärten plötzlichen Herztodesfällen in jungen Jahren, aber auch bei anderen Todesumständen wie Tod im Schlaf oder plötzlichem Tod im Wasser wird eine Untersuchung der Verstorbenen inklusive der postmortalen Gendiagnostik empfohlen. Auch wird den betroffenen Familien in einer eigens dafür eingerichteten Spezialambulanz angeboten, dass bei ihnen selbst eine genetische und kardiologische Untersuchung im Hinblick auf ein Risiko für einen plötzlichen Herztod erfolgt. Das Frankfurter Zentrum für plötzlichen Herztod ist eine solche Anlaufstelle für Betroffene. „Familienangehörige sind potenzielle Risikopatienten, weil diese Herzerkrankungen häufig mit einem 50-prozentigen Risiko für Angehörige ersten Grades einhergehen, selbst Träger der Genveränderung zu sein“, erklärt die Molekularbiologin Kauferstein. Eine kardiologische Untersuchung dieser Verwandten ersten Grades „kann daher Hinweise erbringen, die zur Prävention des plötzlichen Herztodes oder von anderen lebensbedrohlichen Herzereignissen beitragen“. Denn viele dieser Erkrankungen sind gut behandelbar bzw. es gibt Vorsichtsmaßnahmen. Neben Beratung, Diagnosestellung und gegebenenfalls Therapieentscheidungen arbeitet das Frankfurter Zentrum mit Kardiologen und weiteren Spezialisten zusammen, um diese frühen Todesfälle bestmöglich aufzuklären. „Je nach Risikoprofil des Patienten geht es um bestimmte Maßnahmen wie das Vermeiden bestimmter Medikamente oder bestimmter Sportarten, die Rhythmusstörungen begünstigen, oder um eine Schrittmacher-Therapie mit einem implantierbaren Defibrillator, der vor Kammerflimmern schützt“, erklärt Kauferstein.
Auf Warnsignale für ein Herztod-Risiko in jungen Jahren achten
Es sind Fälle wie diese, die Angehörige und nahestehende Menschen der verstorbenen Person mit Fassungslosigkeit hinterlassen: der Vierzehnjährige, der noch quickfidel das Fußballtraining absolviert und den die Eltern am Abend tot im Haus vorfinden. Oder der 19-Jährige, den seine Freundin am Morgen nach dem Wecker klingeln im Bett röcheln hört und dann kurz darauf leblos im Bett findet. Beide Todesereignisse haben gemeinsam, dass keine vorherigen Warnsignale für den plötzlichen Herztod bekannt waren.
„Allerdings sehen wir bei unseren detaillierten Untersuchungen von plötzlichen Herztodesfällen durchaus Warnsignale, die man ärztlich abklären sollte, die aber oftmals verkannt wurden“, bestätigt Prof. Kauferstein. Auf die folgenden Warnsignale sollte man deshalb achten:
- Kurze Bewusstlosigkeiten (Synkopen), besonders bei spezifischen Auslösern wie Stress, schriller Wecker, sportliche Belastung
- Krampfanfälle ohne eindeutig pathologische Befunde (z. B. Epilepsie) einer Elektroenzephalographie (EEG)
- plötzliche ungeklärte Todesfälle in jungen Jahren in der Familie
- plötzlicher unerwarteter Tod im Wasser
- nicht erklärbarer Autounfall (auch bei bekannter Epilepsie)
- Herzschwäche (Herzinsuffizienz) und/oder Herzschrittmacherpflichtigkeit vor dem 50. Lebensjahr
„Wer beispielsweise ohne erkennbaren Grund einfach so auf dem Weg zum Supermarkt in Ohnmacht fällt, sollte diesen Ohnmachtsanfall beim Arzt abklären lassen“, betont Prof. Kauferstein im Herzstiftungs-Podcast zu diesem Thema. Er ist zu hören unter herzstiftung.de/junge-herzen-retten
Selten, aber auch bei jungen Sporttreibenden möglich: plötzlicher Herztod beim Sport
Regelmäßiger Sport ist eine der effektivsten Maßnahmen, um das Herz lange gesund und leistungsfähig zu halten. Doch plötzliche Herztodesfälle beim Sport, so selten sie sich ereignen, können verunsichern. Je nach Studie liegt die Häufigkeit des plötzlichen Herztods beim Sport bei 1 bis 2 Todesfällen pro 100.000 Sporttreibenden pro Jahr. Beim Sport beschleunigt sich der Herzschlag deutlich – unproblematisch für ein gesundes Herz. Ist es aber vorgeschädigt, kann die zugrundeliegende Sympathikusaktivierung Kammerflimmern auslösen, das unbehandelt innerhalb kurzer Zeit zum Tod führt. Bei den häufigsten Ursachen für plötzliche Herztodesfälle beim Sport ist zu unterscheiden zwischen Sportlerinnen und Sportlern unter 35 Jahren und darüber.
Angeborene Herzfehler oder erblich bedingte Herzerkrankungen häufige Ursache
In nahezu allen Fällen liegt dem plötzlichen Herztod beim Sport eine unerkannte Herzerkrankung zugrunde. „Bei Sportlerinnen und Sportlern unter 35 Jahren sind nach aktuellen Untersuchungen die häufigsten Ursachen eine vorzeitige koronare Herzkrankheit genetisch bedingte Arrhythmiesyndrome wie SADS und eine Myokarditis“, berichtet Prof. Meyer, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. Während des Sports können durch die hohe Belastung, die hohe Herzfrequenz und den erhöhten Sauerstoffbedarf des Herzens die lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden. „Verpflichtende sportmedizinische Untersuchungen können das Risiko eines plötzlichen Herztodes bei Sportlern deutlich senken“, betont Sportmediziner Prof. Meyer. „Auch junge Menschen ohne diagnostizierte Herzerkrankung sollten, bevor sie aktiv Sport betreiben, ihr Herz untersuchen lassen, wenn sie belastungsabhängige Beschwerden spüren, ungeklärte Bewusstlosigkeiten hatten oder wenn nahe Angehörige an Herzerkrankungen leiden.“ Junge Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (EMAH) sollten – auch unabhängig von sportlicher Aktivität - ihr Herz regelmäßig von einem EMAH-Spezialisten kontrollieren lassen.
Ab dem 35. bis 40. Lebensjahr, in dem Alter also, in dem auch das Risiko für die Entwicklung einer KHK steigt, nimmt auch das Risiko für plötzlichen Herztod zu. Bei Sportlern ab 35 Jahren ist dafür die KHK mit etwa 80 Prozent mit Abstand häufigste Ursache. „Durch den beschleunigten Herzschlag und den erhöhten Blutdruck während des Sports können Plaques aus Blutfetten wie Cholesterin, Bindegewebe und Kalkablagerungen relevant werden, an denen sich Blutgerinnsel bilden, die das Herzkranzgefäß verschließen. Es kommt zum Herzinfarkt, der zu Kammerflimmern und schließlich dem Herztod führen kann“, erklärt der Kardiologe Prof. Voigtländer. Das Risiko für diese Todesfälle lässt sich ebenfalls durch eine sportmedizinisch-kardiologische Untersuchung senken. Mit dem Gemeinschaftsprojekt „Lebensretter sein: Fußballer lernen Wiederbelebung“ fördern die Herzstiftung und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) besonders bei dieser Zielgruppe der Ü-Fußballer durch Schulungen die Bereitschaft zur Laien-Reanimation und den korrekten Umgang mit der Notfallsituation eines Herzstillstands.
Gefahr durch Myokarditis: Bei Infektion ist Schonung angesagt
Sowohl bei jüngeren als auch bei älteren Sportlern kann auch eine unerkannte Herzmuskelentzündung (Myokarditis) zum plötzlichen Herztod führen. Diese kann z. B. nach einer vorangegangenen, meist viralen Infektion (z. B. Parvovirus/SARS-CoV-2) auftreten. Eine aktuelle Studie zeigt, dass fast alle jungen Sportler, die aufgrund einer Myokarditis gestorben waren, vorher eine Infektion der oberen Atemwege durchgemacht hatten. „Wir raten Sportlerinnen und Sportlern deshalb, sich bei einem Infekt immer ausreichend zu schonen und das Training erst dann wieder aufzunehmen, wenn sie wieder vollständig gesund sind und sich fit fühlen.“ Patienten mit einer gesicherten Myokarditis müssen sich mehrere Monate konsequent schonen: viel Ruhe, keine körperliche Belastung, keinerlei Sport oder Ausdauertraining. Dies gilt auch für schwere körperliche Arbeit im Beruf. Sport ist erst wieder nach einer Karenzzeit von mindestens drei bis sechs Monaten möglich, wenn sich die Herzfunktion komplett erholt hat und der Sportkardiologe nach Untersuchungen grünes Licht gibt. (wi)
Zitiert nach einer Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung vom 25.05.2023.