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Anspannung und Aggression: Die Coronakrise belastet die Psyche
Seit mehr als einer Woche gibt es auch in Deutschland drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie. Kontrollverlust und Mangel an Sozialkontakten machen Psychologen Sorge. Sie befürchten mehr Gewalt und Suizide.
Kontaktverbote, Ausgehbeschränkungen, geschlossene Kitas und Schulen: Die Corona-Pandemie hat den sozialen Alltag in Deutschland seit mehr als einer Woche drastisch verändert. Für jeden Einzelnen bedeute das eine Belastung, die insbesondere für Menschen mit psychischen Erkrankungen auch gefährlich werden könne, mahnen Experten. Der Begriff Corona-Ferien treffe die Lage nicht.
Die Tübinger Psychologin Ursula Gasch, spezialisiert auf Notfälle, sieht die Lage für viele Menschen einengend: «Ich kann nicht mehr bestimmen, wie ich mich bewege, mit wem ich mich in einem Raum aufhalte. Das meiste ist jetzt vorbestimmt und geografisch limitiert.» Dazu befänden sich Familien plötzlich in einem ungewohnten und erzwungenem 24/7-Modus. Zugleich fehlten tägliche Routinen und Ausweichmöglichkeiten. Dazu kommt die Sorge um die eigene Gesundheit - nach Umfragen beschäftigt sie mehr als die Hälfte der Bundesbürger.
«Diese Lage birgt Konfliktpotenzial», urteilt auch Iris Hauth, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Die übliche Reaktion auf Angst in der menschlichen Entwicklung sei: wegrennen oder kämpfen. «Das funktioniert hier aber beides nicht.» Solche Situationen habe es bisher kaum gegeben. «Da haben wir auch keine Bewältigungsstrategien.»
Krisentelefone können erste Hilfe leisten
In Krisenplänen müsse deshalb unbedingt auch die psychische Belastung der Bevölkerung berücksichtigt werden, fordert Hauth. «Es geht um zeitnahe Angebote. Diese Pandemie ist nicht in drei Wochen abgehandelt.» Erfahrungen aus der chinesische Stadt Wuhan zeigten, dass dabei Krisentelefone helfen können. Tausende hätten dort angerufen.
Die Berliner Seniorenhotline Silbernetz registriere jetzt schon viel mehr Anrufe, sagt Initiatorin Elke Schilling. An einzelnen Tagen wollten fünfmal mehr Menschen reden als früher. Die Kapazitäten würden nun aufgestockt. Unter den Ratsuchenden seien mehr fitte und jüngere Senioren und auch mehr Männer als zuvor. Die Hauptthemen? «Die Unberechenbarkeit der weiteren Entwicklung und die Angst, selbst mit dem Coronavirus infiziert zu sein», antwortet Schilling.
Fachleute müssten sich darauf einstellen, dass sowohl eine Welle von Gesunden kommen werde, die plötzlich behandlungsbedürftige Ängste habe, sagt Psychiaterin Hauth. Dazu komme die Verschlechterung der Symptomatik von bereits psychisch Erkrankten. Diese zweite Gruppe benötige ein noch fester geknüpftes Hilfenetz.
Häufung von psychischen Beschwerden
Kurz und mittelfristig könne die Lage zu Angst und Schlafstörungen, aber auch zu Langeweile, Einsamkeit und Depression mit Gefühlen der Ausweglosigkeit führen, meint Psychologin Gasch. Wut, Ärger, Frustration und Verunsicherung böten Potenzial für Aggressionen und Suchtmittelmissbrauch - zu viel Alkohol oder Schlaf-, Schmerz- und Beruhigungsmittel.
Weitere Informationen:
- Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen bietet Krisenhotline
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) hat eine anonyme und kostenlose Corona-Hotline geschaltet, an die sich stark belastete Menschen wenden können. Die Hotline mit der Nummer 0800 777 22 44 sei täglich von 8 bis 20 Uhr geschaltet.
- TelefonSeelsorge Deutschland hält KrisenKompass bereit
Die TelefonSeelsorge Deutschland hat einen KrisenKompass in Form einer rein digitalen Hilfe für Menschen in suizidalen Krisen entwickelt. Der „Notfallkoffer für die Hosentasche“ enthält Tipps, Informationen und eine Tagebuchfunktion. Mit der App kann man auch direkt Kontakt mit der Telefonseelsorge aufnehmen: https://www.telefonseelsorge.de/
Zur gesamten Meldung
Zitiert nach einer Meldung von Neurologen und Psychiater im Netz vom 01.04.2020