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Fehlzeiten wegen Depressionen & Co. stark gestiegen
KKH: Mehr Arbeitsausfälle im 1. Halbjahr 2023 – forsa: 48 Prozent der Berufstätigen häufig gestresst
Personalmangel, Nachwirkungen der Corona-Pandemie, Inflation und Teuerung, soziales Ungleichgewicht: Die psychischen Belastungen bei Berufstätigen haben in den ersten Monaten dieses Jahres drastisch zugenommen. Laut Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse sind die Fehlzeiten wegen seelischer Leiden vom ersten Halbjahr 2022 auf das erste Halbjahr 2023 um 85 Prozent gestiegen – so stark wie nie in der jüngeren Vergangenheit. Demnach kamen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf 100 KKH-Mitglieder 303 Ausfalltage. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 164 Tage. „Diese Entwicklung ist alarmierend, denn wir haben schon jetzt fast das Niveau des gesamten Jahres 2022 erreicht“, sagt KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick. „Mit Blick auf die Jahre zuvor liegen wir sogar schon über dem Durchschnitt.“ Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2022 registrierte die KKH 339 Fehltage pro 100 Mitglieder aufgrund von Depressionen, Anpassungsstörungen, Angststörungen & Co., 2021 und 2020 waren es 287 und im Vor-Corona-Jahr 2019 rund 274 Tage.
Neben dem Fehlzeitenhoch registriert die KKH auch eine Zunahme der Krankheitsfälle aufgrund seelischer Leiden. So stieg die Arbeitsunfähigkeitsquote (AU-Quote), also die Zahl der Krankschreibungen im Verhältnis zu den berufstätigen Mitgliedern, im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 32 Prozent.
„Der besonders starke Zuwachs bei den Fehlzeiten deutet darauf hin, dass es zunehmend schwere, langwierige Fälle von psychischen Erkrankungen gibt“, sagt Antje Judick. Die Arbeitspsychologin beobachtet diese Entwicklung mit Sorge, auch mit Blick auf diejenigen Kolleg*innen, die solche Arbeitsausfälle abfedern müssen und so selbst einen Burnout oder andere erschöpfungsbedingte psychische Erkrankungen entwickeln können. Die längsten Fehlzeiten von durchschnittlich 112 beziehungsweise 71 Tagen gingen im ersten Halbjahr 2023 auf wiederkehrende Depressionen und depressive Episoden zurück.
Am häufigsten diagnostizierten Ärzte hingegen akute Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen. Sie machen mit aktuell 41 Prozent nicht nur die Mehrheit aller psychisch bedingten Krankschreibungen aus. Hier stieg die AU-Quote auch am stärksten an (plus 42 Prozent). „Dies zeigt wiederum, dass immer mehr Arbeitnehmer*innen unter ungewöhnlichem Druck, großen Belastungen und Dauerstress stehen“, erläutert Judick. Besonders betroffen seien Beschäftigte in sozialen Berufen wie in der Alten- und Krankenpflege, in der Kinderbetreuung sowie im Verkauf.
Eine forsa-Umfrage im Auftrag der KKH bestätigt den hohen Stresslevel bei Erwerbstätigen: So fühlen sich 90 Prozent von ihnen zumindest gelegentlich gestresst, rund die Hälfte davon sogar häufig oder sehr häufig. Knapp 60 Prozent der Berufstätigen sagen zudem, der Stress habe in den vergangenen ein bis zwei Jahren zugenommen. Neben der Ausbildung beziehungsweise dem Beruf sowie aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen wie Klimawandel und Inflation (je 47 Prozent) sind es vor allem die hohen Ansprüche an sich selbst, die Arbeitnehmer*innen als besonders stressig empfinden. Dies geben 51 Prozent der befragten Erwerbstätigen an. Weitere Stressfaktoren sind etwa die ständige Erreichbarkeit über Smartphone und soziale Netzwerke (37 Prozent) sowie finanzielle Sorgen (24 Prozent). Darüber hinaus fühlen sich fast zwei Drittel der Berufstätigen unter Stress erschöpft und ausgebrannt. Bei jeder*jedem Dritten sind niedergedrückte Stimmungen und Depressionen die Folge. Jede*r sechste Berufstätige leidet unter stressbedingten Angstzuständen.
Ausgewertet wurde die Zahl der Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflicht- und freiwillig versicherten Mitgliedern der KKH Kaufmännische Krankenkasse, neu für das erste Halbjahr 2023 – ohne Arbeitslose und Rentner*innen. Das Meinungsforschungsinstitut forsa hat im Auftrag der KKH 1.004 Personen im Alter von 18- bis 70-Jahren im Mai 2023 deutschlandweit repräsentativ telefonisch befragt, darunter 722 Erwerbstätige.
Zitiert nach einer Pressemitteilung der KKH Kaufmännische Krankenkasse vom 09.08.2023