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Mehr Partnerschaftsgewalt in Deutschland
BFKM befürwortet Fördermöglichkeiten auf Bundesebene auch für betroffene Männer
Bedrohung, Stalking, Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Vergewaltigung: Gewalt kommt in Paarbeziehungen erschreckend häufig vor. Auch 2020 sind die Fälle von Gewalt in bestehenden und ehemaligen Partnerschaften weiter gestiegen, im Vergleich zum Vorjahr um fast fünf Prozent. Das zeigt die Kriminalstatistische Auswertung Partnerschaftsgewalt 2020, die am 23. November 2021 vorgestellt wurde.
Die Zahl der angezeigten Taten stieg demnach von 141.792 Opfern im Jahr davor auf 148.031 Opfer in 2020. Ganz überwiegend trifft diese Gewalt Frauen: 80,5 Prozent der Opfer sind weiblich. Um überdurchschnittliche 7,4 Prozent jedoch stieg die Zahl männlicher Betroffener von Partnerschaftsgewalt.
“Der Anstieg bedeutet sicher nicht, dass mehr Gewalt gegen Männer in Partnerschaften stattfindet”, so Björn Süfke, Leiter des Hilfetelefons Gewalt an Männern. Das Dunkelfeld der von Partnerschaftsgewalt Betroffenen sei vermutlich schon immer sehr groß, doch nun trauten sich mehr Betroffene, entsprechende Hilfeangebote wahrzunehmen und erlittene Gewalt auch anzuzeigen. “Vorsichtig ausgedrückt”, so der Männerberater, “könnte der Anstieg von männlichen Hilfesuchenden auf eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit für das Themenfeld Männergewaltschutz zurück zu führen sein. “Unsere gemeinsame Arbeit als Hilfenetzwerk führt dazu, dass mehr Medienberichte über betroffene Männer entstehen. Betroffene lesen dann in Zeitungen und social media, dass es Hilfe auch für sie gibt – und rufen an oder melden sich.” Absolut stieg die Zahl derjenigen Männer*, die sich trauten die Taten polizeilich anzuzeigen, von 26.889 in 2019 auf 28.867 im Jahr 2020.
Auch die Nutzerzahlen des Männerhilfetelefons steigen, wie Björn Süfke berichtet. Dies passiere aber kontinuierlich, da das Angebot erst Anfang 2020 startete und immer noch relativ neu sei. “Unsere Leitungen sind so gut wie immer besetzt, und die meisten Männer, die vergeblich anrufen stehen so unter Druck, dass sie dann woanders Hilfe suchen”, schildert er den Andrang. Die Berater*innen des Männerhilfetelefons führen aktuell über 60 Beratungsgespräche pro Woche mit durchschnittlich 25 Minuten Dauer. Im Frühsommer 2020 waren es noch durchschnittlich 30 Beratungsgespräche pro Woche. Es kann aktuell nur in Deutsch und Englisch geholfen werden.
“Der Anstieg männlicher Anzeigensteller in der Kriminalstatistik ist ein starkes Argument, Männer als Betroffene insgesamt stärker wahrzunehmen”, sagt Hagen Bottek vom Männerberatungsprojekt A4 in Thüringen zu den aktuellen Zahlen. Auch Bottek bestätigt: “Vermutlich steigen sie im Zusammenspiel von verstärkter Aufklärungsarbeit über Männer, die von Gewalt betroffen sind”. Zudem trüge auch die bessere Sensibilisierung der Polizeieinsatzkräfte sicher dazu bei, dass sich mehr Männer Hilfe holen. “Möglicherweise wird inzwischen auch bei den Polizeieinsatzkräften deutlicher erkannt, dass auch Männer entgegen aller Klischees betroffen sein können”, bekräftigt er die Wahrnehmungen aus Thüringen.
Zu den gestiegenen Zahlen im Bereich Partnerschaftsgewalt äußert sich auch Christine Lambrecht, Bundesjustizministerin und geschäftsführende Bundesfamilienministerin. „Für viele Frauen und manche Männer kann das eigene Zuhause ein Ort des Schreckens sein. (…) Wir müssen alles dafür tun, den Betroffenen zu helfen, damit sie der Gewalt entkommen und sich und ihre Kinder schützen können. Deshalb bauen wir Frauenhäuser und Beratungsstellen gemeinsam mit den Ländern aus, mit 120 Millionen Euro des Bundes. Wir investieren in die Aus- und Fortbildung von Fachkräften, die unmittelbar helfen können.” Sie sei sicher, dass diese Arbeit zum Schutz vor Gewalt sehr konsequent weitergeführt werde.
Die Bundesfach- und Koordnierungstelle Männergewaltschutz (BFKM) setzt sich dafür ein, dass auf Bundesebene Fördermöglichkeiten für Männerschutzeinrichtungen geschaffen werden. Deshalb hat sie eine Ausstattungsinitiative für Männerschutzeinrichtungen konzipiert und bringt diese gern in die aktuellen Beratungsprozesse ein.
Zitiert nach einer Pressemitteilung der Bundesfach- und Koordnierungstelle Männergewaltschutz vom 29.11.2021