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Aktuelle Meldungen

Sonderauswertungen sichern Entscheidungen beim Herzklappenersatz ab

Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) finanziert mehrere Sonderauswertungen des Deutschen Aortenklappenregisters (GARY German Aortic Valve Registry). Die Ergebnisse sollen sicherstellen, dass unterschiedliche Patientengruppen mit einer operationsbedürftigen Herzklappenerkrankung die optimale Therapie erhalten: entweder eine Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) oder eine neue Herzklappe mit einem chirurgischen Eingriff.

TAVI ist eine minimalinvasive Technik mit der die Aortenklappe, die Herzklappe zwischen der linken Herzkammer und der Hauptschlagader, ersetzt wird. Dabei wird, meistens über die Leiste, ein Katheter geschoben, auf dessen Spitze die neue, zusammengefaltete Herzklappe sitzt. Im Herzen wird die Ersatzklappe aufgespreizt und eingesetzt. TAVI kommt bislang vor allem bei älteren, sehr kranken Patienten zum Einsatz [1]. Bei ihnen ist das Risiko zu groß, bei einem chirurgischen Aortenklappenersatz (surgical aortic valve replacement, SAVR) zu sterben. Während dieser Operation wird der Brustkorb geöffnet und eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Mit GARY soll nun für weitere Patientengruppen geklärt werden, ob TAVI oder der chirurgische Klappenersatz für sie besser ist und klare Entscheidungskriterien erarbeitet werden. Dafür sammelt das Register deutschlandweit Behandlungsdaten von Aortenklappeneingriffen, führt die erhobenen Angaben zusammen und wertet sie aus. Rund 64 Kliniken nehmen derzeit an GARY teil.

„Die im Register gesammelten Daten statistisch auszuwerten, ist aufwändig. Denn die Patientengruppen, die wir vergleichen, sind sehr unterschiedlich“, erklärt Professor Eva Herrmann, Direktorin des Instituts für Biostatistik und mathematische Modellierung an der Goethe-Universität Frankfurt. Sie leitet die vom DZHK finanzierten Sonderauswertungen. So sind Patienten, die eine TAVI erhalten, durchschnittlich 80 Jahre alt und sehr krank. Patienten, denen die Herzklappe mit einem chirurgischen Eingriff eingesetzt wird, sind hingegen etwa 69 Jahre alt und haben nicht so viele Begleiterkrankungen. Diese Unterschiede müssen bei der statistischen Datenanalyse angemessen berücksichtigt werden. Nicht alle Auswertungen können deshalb über das Register finanziert werden.

Im Fokus der vom DZHK finanzierten GARY-Sonderauswertungen stehen unter anderem Dialyse-Patienten, Patienten mit einer Niereninsuffizienz, Patienten mit unterschiedlichem Schweregrad der Aortenklappenstenose, stark untergewichtige Patienten aber auch der Vergleich unterschiedlicher Ersatzklappen sowie Patienten mit Herzschrittmachern.

Kriterien für Auswahl der Behandlungsmethode

Die europäischen Leitlinien für die Behandlung von Herzklappenerkrankungen geben eine Risiko-Klassifizierung vor, um für oder gegen einen chirurgischen Herzklappenersatz zu entscheiden. Ausschlaggebend können aber auch Parameter sein, die in diesen herkömmlichen Risikoscores nicht enthalten sind.

Dazu zählt das Körpergewicht, errechnet durch den Body-Mass-Index (BMI). Im Vergleich zu normalgewichtigen Patienten (BMI 20-30 kg/m2) weisen untergewichtige Patienten (<20 kg/m2) bei beiden Behandlungsstrategien eine höhere Sterblichkeitsrate auf [2]. Aktuell veröffentlichte GARY-Sonderauswertungen kommen zu der Erkenntnis, dass untergewichtige Patienten mit einem BMI < 20kg/m2 von beiden Behandlungsmethoden gleichermaßen profitierten. So haben TAVI- und SAVR-Patienten nach einem und 12-Monaten ähnliche Überlebensraten. Stark untergewichtige Patienten (BMI von < 18,5 kg/m2) hatten jedoch mit TAVI eine höhere Überlebenschance.

Eine weitere vom DZHK finanzierte Auswertung der Registerdaten zeigte, dass der Schweregrad einer chronischen Nierenerkrankung beeinflusst, ob Patienten versterben, die sich einer TAVI oder SAVR unterziehen [3]. Bei Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung und stark verengter Aortenklappe kann daher eine auf bestimmten Laborwerten beruhende Größe, der GFR-Wert (Glomeruläre Filtrationsrate) dazu beitragen, abzuschätzen, für welche Patienten ein Klappenersatz in Frage kommt. Der Wert zeigt an, wie wirkungsvoll die Nieren das Blut reinigen und dient neben dem Eiweißgehalt dazu, den Schweregrad der chronischen Nierenerkrankung zu bewerten.

Chronische Dialysepatienten mit Aortenklappenstenose, die sich einer TAVI oder SAVR unterzogen, hatten die gleiche 1-Jahres-Sterblichkeitsrate, obwohl das Überleben nach 30 Tagen bei einem Eingriff mittels TAVI besser war [4]. SAVR-Patienten benötigten mehr Bluttransfusionen und hatten einen längeren Krankenhausaufenthalt. Dagegen war bei TAVI-Patienten häufiger eine Herzschrittmacherimplantation erforderlich, und sie wiesen häufiger eine undichte Aortenklappe (Aortenklappeninsuffizienz) auf.

Zu diesem Ergebnis kam auch eine weitere Studie, in der Patienten, die nach einer SAVR oder TAVI Behandlung einen Herzschrittmacher erhielten, untersucht wurden [5]. Nach TAVI wurden im Vergleich zu SAVR deutlich mehr Schrittmacher implantiert. Nach 30 Tagen unterschied sich die Sterblichkeitsrate bei TAVI und SAVR nicht. Demnach erhöht die Implantation des Schrittmachers das Sterberisiko nicht.

Größte Langzeitauswertung bislang

GARY ermöglichte es, den bisher größten Datensatz von insgesamt 18.010 TAVI- und SAVR-Patienten, die 2011 und 2012 eine neue Herzklappe erhalten hatten, auf das Überleben nach 5 Jahren zu untersuchen [6]. TAVI-Patienten waren deutlich älter und wiesen einen höheren Risikoscore auf als SAVR-Patienten. Um die Langzeitergebnisse dennoch vergleichen zu können, paarten die Forscher die Daten von TAVI und SAVR-Patienten mit gleichen Risikoscores. Damit zeigte sich nach fünf Jahren bei TAVI-Patienten mit Ersatzklappen der ersten Generation eine höhere Sterblichkeitsrate als bei SAVR-Patienten. Die Autoren weisen darauf hin, dass sich seit 2011 die implantierten Klappen sowie die klinischen Fähigkeiten stetig verbessert haben. Dies könne ein Grund dafür sein, dass die Daten mit der heutigen Situation nicht vergleichbar sind und sich von den Ergebnissen aktuellerer Studien unterscheiden.

Umfassende Dokumentation

Seit 2011 werden im deutschen Aortenklappenregister Daten zur medizinischen Vorgehensweise beim Herzklappenersatz gesammelt. Dabei werden Symptome, Begleiterkrankungen, Angaben zum Gesundheitszustand, zur Indikationsstellung sowie zum genauen Verlauf vor, während und nach dem Eingriff dokumentiert. Das Register ist ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK), gefördert von der Deutschen Herzstiftung.

Weitere Informationen zu GARY:

https://www.aortenklappenregister.de

Kontakt: Christine Vollgraf, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Tel.: 030 3465 529 02, presse(at)dzhk.de

Referenzen

1. Bekeredjian R, Szabo G, Balaban Ü, et al (2019) Patients at low surgical risk as defined by the Society of Thoracic Surgeons Score undergoing isolated interventional or surgical aortic valve implantation: In-hospital data and 1-year results from the German Aortic Valve Registry (GARY). Eur Heart J 40:1323–1330. doi.org/10.1093/eurheartj/ehy699

2. Voigtländer L, Twerenbold R, Schäfer U, et al (2020) Prognostic Impact of Underweight (Body Mass Index <20 kg/m2) in Patients With Severe Aortic Valve Stenosis Undergoing Transcatheter Aortic Valve Implantation or Surgical Aortic Valve Replacement (from the German Aortic Valve Registry [GARY]). Am J Cardiol 129:79–86. doi.org/10.1016/j.amjcard.2020.05.002

3. Mas-Peiro S, Faerber G, Bon D, et al (2021) Impact of chronic kidney disease in 29 893 patients undergoing transcatheter or surgical aortic valve replacement from the German Aortic Valve Registry. Eur J Cardiothorac Surg 59:532–544. doi.org/10.1093/ejcts/ezaa446

4. Färber G, Bleiziffer S, Doenst T, et al (2021) Transcatheter or surgical aortic valve implantation in chronic dialysis patients: a German Aortic Valve Registry analysis. Clin Res Cardiol 110:357–367. doi.org/10.1007/s00392-020-01717-7

5. Fujita B, Schmidt T, Bleiziffer S, et al (2020) Impact of new pacemaker implantation following surgical and transcatheter aortic valve replacement on 1-year outcome. Eur J Cardio-thoracic Surg 57:151–159. doi.org/10.1093/ejcts/ezz168

6. Beyersdorf F, Bauer T, Freemantle N, et al (2021) Five-year outcome in 18 010 patients from the German Aortic Valve Registry. Eur J Cardio-Thoracic Surg 60:1139–1146. doi.org/10.1093/ejcts/ezab216

Zitiert nach einer Pressemitteilung des DZHK vom 05.01.2022