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Väter bei Geburt von Kindern durchschnittlich älter als Mütter – Ein weltweites Phänomen mit Auswirkungen
Neue Studie präsentiert erstmals umfangreiche Zahlen zur Entwicklung des Alters bei Geburt und der Geburten pro Mann.
Die Geburt der eigenen Kinder gehört nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer zu den wichtigsten Ereignissen im Leben. Interessanterweise wurden Geburten in der Statistik und in der Forschung aber lange Zeit fast nur aus der Perspektive der Frauen betrachtet. Hierdurch lagen nur bedingt Daten zum Durchschnittsalter von Vätern bei der Geburt von Kindern und zur Zahl der pro Mann gezeugten Kinder vor. In den letzten Jahren sind Männer aber zunehmend ins Interesse gerückt. Dies hängt auch damit zusammen, dass Väter etwa bei der Erziehung von Kindern in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen haben.
Väter sind in Deutschland gut drei Jahre älter als Mütter
Eine neue Studie der Demografen Sebastian Klüsener (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung) und Christian Dudel (Max-Planck-Institut für demografische Forschung) präsentiert nun erstmals umfangreiche Zahlen zur Entwicklung des Alters bei Geburt und der Geburten pro Mann. Für die Untersuchung haben sie 17 ökonomisch hochentwickelte Länder betrachtet. Die Zahlen belegen, dass Männer durchschnittlich deutlich später Kinder bekommen als Frauen. Dabei können die Forscher zwischen den einzelnen Ländern zum Teil erhebliche Unterschiede erkennen, wie Sebastian Klüsener erklärt: „Die Abstände zwischen Vätern und Müttern beim durchschnittlichen Geburtsalter schwanken in den betrachteten Ländern zwischen weniger als 2 Jahren in Japan und mehr als 3,5 Jahren in Italien oder Ungarn.“ Deutschland liegt mit einem Abstand von etwas mehr als 3 Jahren im oberen Mittelfeld. „In wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern sind die Abstände noch viel größer,“ sagt Sebastian Klüsener. „Andere Forschungsergebnisse zeigen, dass etwa in einigen westafrikanischen Ländern das Durchschnittsalter der Väter teilweise 10 Jahre über dem der Mütter liegt.“
Unterschiedliche Erklärungsansätze
Aber was steckt hinter diesem Phänomen? In der Forschung sind insbesondere soziologische und evolutionstheoretische Erklärungsansätze von Bedeutung. Soziologische Ansätze begründen die Unterschiede unter anderem damit, dass Frauen lange Zeit geringere soziale Aufstiegsmöglichkeiten hatten als Männer. Hierdurch spielte bei der Partnerwahl der soziale Status eines Mannes eine wichtige Rolle. Diesbezüglich sind ältere Männer im Vorteil, da ihr sozialer Status häufig abgesicherter ist als bei gleichaltrigen oder gar jüngeren Männern. Evolutionstheoretische Ansätze betonen zusätzlich, dass Frauen durch die Schwangerschaft und das Stillen mehr direkte biologische Ressourcen in den Nachwuchs investieren als Männer. Hierdurch sind jüngere Frauen eher im Vorteil, weil die biologische Fähigkeit, Kinder zu bekommen, mit dem Alter tendenziell abnimmt.
Altersabstände werden tendenziell geringer
Die Bedeutung dieser Aspekte nimmt aber ab. Durch eine zunehmende Gleichstellung von Männern und Frauen sind Frauen unabhängiger vom sozialen Status eines möglichen Partners. „Außerdem verliert das erhöhte Alter als einschränkender Faktor von Schwangerschaften durch die moderne Reproduktionsmedizin an Wirkung,“ sagt Klüsener. Insofern sei es nicht verwunderlich, dass sich in vielen Ländern zuletzt die Durchschnittsalter von Vätern und Müttern bei der Geburt von Kindern angenähert haben. Eine Ausnahme stellen in der Studie lediglich einige osteuropäische Länder dar, wo die Altersunterschiede zwischen Vätern und Müttern in den letzten Jahrzehnten angestiegen sind.
Altersdifferenzen und Chancengleichheit
Altersunterschiede zwischen Vätern und Mütter sind auch im Kontext der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern von Bedeutung. Nach der Geburt von Kindern richten Paare ihre Arbeitsteilung oft neu aus, da Kinder gerade in den ersten Jahren viel Zuwendung und Betreuung benötigen. Dies bedeutet für viele Paare, dass einer oder beide Elternteile beruflich kürzertreten. „Der ältere Elternteil, und damit häufig der Mann, kann meist auf eine schon weiter fortgeschrittene Etablierung im Beruf verweisen. Dies trägt mit dazu bei, dass häufig die Frau im Beruf kürzertritt“, erklärt Sebastian Klüsener. Dieses Phänomen, welches auch Re-Traditionalisierung genannt wird, ist etwa in Deutschland und insbesondere in Westdeutschland relativ stark verbreitet. „Solche Prozesse auf der Paarebene können dazu beitragen, dass sich tradierte Rollenmuster von Männern und Frauen nur langsam ändern.“
Dudel, Christian; Klüsener, Sebastian (2021). Male–Female Fertility Differentials Across 17 High-Income Countries: Insights From A New Data Resource. European Journal of Population, 1-25. https://link.springer.com/article/10.1007/s10680-020-09575-9
Zitiert nach einer Pressemitteilung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung vom 18.02.2021