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Vorhofflimmer-Ablation: Verringert zu viel Herzfettgewebe Therapieerfolg?
Münchener Forscher untersuchen epikardiales Fett und sein Risikopotenzial für wiederkehrende Rhythmusstörungen trotz Eingriffs. Studie trägt zu mehr Therapieeffizienz bei
Die Katheterablation zur Beseitigung von Vorhofflimmern durch Veröden von Herzmuskelfasern mit Hitze, Kälte oder Hochfrequenzstrom hält mehr und mehr Einzug in die Kardiologie. Vorhofflimmern tritt zunächst nur kurz, anfallsartig und selten auf („paroxysmal“). Unbehandelt schreitet die Erkrankung fort, es folgen andauernde und häufig auftretende Episoden, bis die Rhythmusstörung dauerhaft vorhanden ist („persistierend“). Mithilfe der Katheterablation kann das Vorhofflimmern mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 bis 90 Prozent geheilt werden, je nachdem wie lange es schon besteht. Allerdings kann es trotz Katheterablation dazu kommen, dass das Vorhofflimmern wieder auftritt: seltener bei jüngeren Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern (15 %), häufiger bei persistierendem Vorhofflimmern (50 %) nach erstmaliger Katheterablation. Man spricht hier von Arrhythmie-Rezidiven. In der Herzforschung sucht man nach den genauen Ursachen und möglichen Risikofaktoren für Rezidive nach einer Ablation. Eine von der Deutschen Herzstiftung geförderte Untersuchung am Deutschen Herzzentrum München (DHM) an 200 Vorhofflimmer-Patienten und deren Risikoprofilen für wiederkehrende Rhythmusstörungen soll die Grundlage für Therapiestrategien zur Prävention von Rezidiven nach Ablation liefern. „Vorhofflimmern ist häufig mit einem hohen Leidensdruck verbunden. Neue Erkenntnisse zur Vermeidung von Rezidiven und zur Verbesserung der Erfolgsrate einer Ablation sind daher enorm wichtig“, erklärt der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Allein im Jahr 2020 wurden in Deutschland mehr als 94.000 Katheterablationen vorgenommen.
Übergewicht und vermehrtes Herzfettgewebe erhöhen kardiovaskuläres Risiko
Starkes Übergewicht und das Vorhandensein von epikardialem Fett (Herzfettgewebe), das in seiner Dicke in der Regel mit dem viszeralen Bauchfett (Fett um die Bauchorgane) korreliert, erhöhen das Risiko für Vorhofflimmern und andere Herzerkrankungen wie koronare Herzkrankheit (KHK) und Aortenklappenstenose. Das konnten Studien bereits zeigen. „Herzfettgewebe scheint auch bei Rezidiven nach einer Katheterablation eine beutende Rolle zu spielen. Wir untersuchen deshalb den Einfluss des epikardialen Fettgewebes auf den Erfolg einer Katheterablation bei Vorhofflimmern“, erklärt Privatdozent Dr. med. Felix Bourier, Oberarzt an der Abteilung für Elektrophysiologie der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am DHM. Sein Forschungsprojekt mit dem Titel „Untersuchung der Rolle von epikardialem Fett als Risikofaktor für Arrhythmie-Rezidive nach Katheterablation von paroxysmalem und persistierendem Vorhofflimmern“ wird von der Herzstiftung mit 50.000 Euro gefördert. Im Herzstiftungs-Video stellen PD Bourier und die Projektleiter am Deutschen Herzzentrum München das Forschungsvorhaben unter https://www.youtube.com/watch?v=gPOFI2w9g-o vor. Bourier und sein Team führen ihre Untersuchungen unter der Leitung von Prof. Dr. Isabel Deisenhofer, Abteilung für Elektrophysiologie, und Prof. Dr. Heribert Schunkert, Ärztlicher Direktor des DHM, am dortigen Forschungs- und Studienzentrum für Herzrhythmusstörungen München (MARS) durch.
Was macht epikardiales Fett zum Risikofaktor für Rezidive?
Der Arzt und Wissenschaftler PD Bourier und sein Forscherteam mit Assistenzarzt Dr. Nico Erhard nehmen mit dem epikardialen Fett einen bekannten kardiovaskulären Risikofaktor für ihre Untersuchungen ins Visier, um auch das Rezidiv-Risiko dieses Fettgewebes um das Herz genauer zu ermitteln, in das die Herzkranzgefäße eingebettet sind und das den Herzmuskel (beim gesunden Herz nur in Teilen) umgibt. Epikardiales Fett ist sowohl Energiespeicher für die Versorgung des Herzmuskels als auch Gewebe-Puffer für den Herzmuskel. Nachweislich kann Herzfettgewebe durch vermehrtes Vorkommen etwa bei Fettleibigkeit auch entzündungsfördernd wirken und eine Herzversteifung durch vermehrtes Bindegewebe (Fibrose) begünstigen. Fettleibige Menschen haben bekanntlich auch ein erhöhtes Vorhofflimmer-Risiko. „Allerdings spielen ein erhöhter BMI sowie Bluthochdruck, Diabetes und Alkohol mit Sicherheit auch als Risikofaktoren für Rezidive von Vorhofflimmern eine Rolle“, betont Bourier.
Forscher vermessen exakt das Herzfettgewebe für zielgenauere Therapiestrategie
Die Studienergebnisse der Untersuchungen von Bourier und seinem Team sollen es ermöglichen, die Erfolgschancen einer geplanten Ablation im Voraus besser zu kalkulieren und damit neue individualisierte Behandlungswege in Therapie von Vorhofflimmern aufzuzeigen. Abladierende Ärzte sollen demnach in einem ersten Schritt Patienten noch vor dem Eingriff gezielter der geeigneten Therapieoption zuordnen können, z. B. welche Ablationstechnik kommt für den Patienten eher in Frage: die Verödung mit Hitze, Kälte (Kryo-Ablation), Hochfrequenzstrom oder mit Hilfe der Elektroporation? Anhand der epikardialen Fettverteilung lässt sich PD Bourier zufolge nämlich vorhersagen, wie gut die Chancen eines Patienten für eine wirkungsvolle Ablation stehen, d. h. liegt die Chance durch eine Ablation vorhofflimmerfrei zu werden bei 90 Prozent oder nur bei 50 Prozent? „Auf Basis dieser Vorauswahl können wir im nächsten Schritt Ablationsstrategien an den Fettgewebeverteilungsmustern der Patienten ausrichten und so bessere Ergebnisse der Ablation erzielen“, erläutert Bourier. Für eine Analyse nehmen die Ärzte vor der Erstablation bei den Patienten verschiedene Untersuchungen vor. Eine Computertomographie (CT) erstellt ein exaktes 3D-Bild des Herzfettegewebes zur Volumenbestimmung mit Hilfe einer Segmentierungs-Software. Dieser sogenannte „3D Slicer“ (engl. „slice“ für schneiden) wurde eigens für diesen Zweck der Segmentierung entwickelt. Eine Blutentnahme bringt mehr Klarheit über mögliche Entzündungsmarker wie Interleukine oder C-reaktives Protein (CRP). Mit Hilfe der Körperfettwaage lassen sich zudem die Gesamtmasse an Körperfett und die Masse an Herzfettgewebe miteinander in Relation setzen.
Krankheitsmechanismen von Vorhofflimmern besser verstehen
Bourier und seine Forscherkollegen untersuchen während der Ablationsprozedur die Gesamtmenge an epikardialem Fett, das Verhältnis zwischen Fettgewebe um Vorhof und Kammer sowie millimetergenau 3D-Rekonstruktionen des epikardialen Fetts um die Vorhöfe. „Wir erwarten, dass wir die aussagekräftigsten Ergebnisse anhand der 3D-Rekonstruktionen des Vorhofs erzielen können“, so Bourier. Eine elektrische Kartierung des linken Vorhofs und der Pulmonalvenen mit Hilfe eines hochauflösenden 3D-Mappings (engl. „map“ für Landkarte) vergleichen die Wissenschaftler mit den 3D-Rekonstruktionen des Herzfettgewebes um die Vorhöfe. In ihrer Auswertung setzen die Forscher den Behandlungserfolg der Ablation in Bezug u. a.
- zur Gesamtmenge an epikardialem Fett,
- zum Verhältnis des Gesamtkörperfetts zum epikardialen Fett sowie
- zum Verhältnis zwischen Fettgewebe um linken Vorhof und Herzkammer.
Insgesamt 200 Patienten rekrutieren die Münchener für ihre Studie über Ambulanzen, Chest-Pain-Units und Stationen des DHM: Patienten sowohl mit persistierendem als auch mit paroxysmalem Vorhofflimmern, die einer Katheterablation unterzogen werden. Paroxysmales und persistierendes Vorhofflimmern scheinen zum Teil durch verschiedene, bei der persistierenden Form auch bisher noch unverstandene, Mechanismen ausgelöst zu werden. „Durch den Einschluss beider ,Vorhofflimmer-Typen‘ können wir auch das epikardiale Fettmuster der beiden Gruppen vergleichen“, erklärt Bourier. Von diesem Vergleich erhofft sich der Kardiologe zusätzlich neue Erkenntnisse über das Vorhofflimmern selbst, „weil das etwas mehr Licht in die noch unbekannten Krankheitsmechanismen bringen würde, die bei den einen Patienten zu paroxysmalem und bei den anderen zu persistierendem Vorhofflimmern führen.“
Förderinitiative der Herzstiftung zum Vorhofflimmern: 1 Mio. Euro für die Forschung
Das Forschungsvorhaben von PD Dr. Felix Bourier am DHM ist eines von insgesamt 14 innovativen Forschungsprojekten im gesamten Bundesgebiet, das die Herzstiftung im Rahmen einer Forschungsförderinitiative mit einem Gesamtvolumen von einer Million Euro fördert (Infos: www.herzstiftung.de/forschung-vorhofflimmern). An der häufigsten anhaltenden Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern leiden rund 1,5 bis 2 Millionen Menschen in Deutschland. Die Folgen eines unerkannten und unbehandelten Vorhofflimmerns können gravierend sein. „Es besteht daher ein dringlicher Forschungsbedarf – vor allem, weil die Herzrhythmusstörung ein wesentlicher Risikofaktor für Herzkomplikationen und Schlaganfälle ist“, betont der Herzstiftungs-Vorsitzende Prof. Voigtländer. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, erhöht sich durch Vorhofflimmern um das Fünffache. „Umso wichtiger sind innovative Forschungsvorhaben, die nachhaltig etablierte Therapieverfahren wie die Katheterablation verbessern, indem sie diese passgenauer und sicherer für Patienten machen. Die Münchener Forscher um PD Bourier leisten hierbei mit ihrem Vorhaben einen wichtigen Beitrag.“ (wi)
Zitiert nach einer Pressemeldung der Deutschen Herzstiftung vom 13.02.2023