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Warum Menschen Berührungen brauchen
Sportteams machen es vor: Der Trainer legt seinen Arm um die Spieler, wenn er mit ihnen spricht. Während des Spiels geben sich die Teammitglieder immer mal wieder einen aufmunternden Klaps und sie reichen die Hand zum Aufstehen. "Berührungen bauen Stress ab, motivieren und stärken den Zusammenhalt", sagt Psychologin Dr. Sylvia Böhme. Das gilt nicht nur für den Sport, sondern für alle sozialen Gemeinschaften. Berührungen sind sogar lebenswichtig. Vor allem für die ganz Kleinen: Bei frühgeborenen Babys setzt häufig der Atem aus - werden sie am Fuß berührt, fangen sie sofort wieder an zu atmen. Der Tastsinn ist der erste Sinn, der sich im Leben entwickelt. Kaum zu glauben: In den 1950er-Jahren hieß es noch, dass Zärtlichkeiten die Kinder zu sehr verwöhnen würden. Das Gegenteil ist der Fall: "Liebevolle Berührungen fördern Wachstum und Entwicklung der Kinder", betont Dr. Böhme.
Kuscheln stärkt Immunsystem
Auch für die Großen bergen Umarmungen, Streicheln, Küsschen, Kuscheln, Knuddeln und Co. jede Menge gesundheitliches Potenzial. So stärken Berührungen das Immunsystem. Bestimmte Massagen können Krebspatientinnen und -patienten helfen, depressive Verstimmungen zu überwinden und Ängste abzubauen. Menschen, denen die Hand gehalten wird, haben weniger Schmerzen.
Es gibt sogar bestimmte Nervenzellen, die auf Streicheleinheiten spezialisiert sind, die sogenannten C-taktilen Nervenzellen. Diese feinen Fasern leiten die Berührung auf unserer Haut an das Gehirn weiter. Das langsame Streicheln einer warmen Hand bewertet das Gehirn als besonders angenehm, dabei schüttet es vermehrt Glückshormone aus: Endorphine und Dopamin zum Beispiel - und vor allem Oxytocin.
Oxytocin hilft beim Stressabbau
Das Kuschelhormon Oxytocin ist hauptsächlich für die vielfältigen Wirkungen von Berührungen verantwortlich. "Oxytocin hilft, Stresshormone abzubauen und Ängste zu lösen", sagt Dr. Böhme „Es bewirkt, dass wir ruhiger atmen und dass Herzschlag und Blutdruck sinken.“ Darüber lassen sich auch die positiven Effekte auf das Immunsystem, auf das Herz oder auf Schmerzen erklären. Oxytocin ist auch ein Bindungshormon: Es schafft Vertrauen, stärkt Beziehungen und auch die emotionale Bindung von Mutter und Kind. Der erhöhte Oxytocinspiegel beim Stillen beruhigt nämlich die Mutter und senkt das Stresshormon Cortisol. Das Baby schüttet nach dem Stillen das Hormon Oxytocin aus, denn es fühlt sich anschließend satt, ruhig und zufrieden. Übrigens auch das Streicheln und Knuddeln mit einem Haustier, etwa mit Hund oder Katze, führt zur Ausschüttung von Oxytocin.
Social Distancing und Berührungsdefizite
Man muss also nicht in einer festen Partnerschaft leben, um berührt zu werden. Zumal Zärtlichkeiten nicht in jeder Partnerschaft gepflegt werden und die Nähe in einer Beziehung das Kuschelbedürfnis gar nicht abzudecken scheint: In Zeiten von Lockdowns und Social Distancing klagten nicht nur Singles über ein Berührungsdefizit. Und auch unabhängig von der Coronapandemie vermissen immer mehr Menschen die Nähe, wenn sie sich mit Freunden nur am Bildschirm treffen, Kurse nur online angeboten werden und die Familie unter Umständen weit weg wohnt.
Mit sich selbst kuscheln
Was helfen kann: mit sich selbst kuscheln! Mehrere hundert Mal am Tag berühren wir unseren eigenen Körper, meist ohne es zu bemerken. Wir verschränken die Arme vor dem Bauch, legen die Hände in den Schoß, streichen uns die Haare aus dem Gesicht, kratzen uns am Arm. "Die Forschung zeigt, dass diese Berührungen offensichtlich eine stressreduzierende Funktion haben", sagt Psychologin Dr. Böhme. Warum nicht mal bewusst die Hand auf unser Herz oder unseren Bauch legen und die Wärme spüren, den Arm oder unsere Hände streicheln? "Das ist sicherlich kein vollwertiger Ersatz für Berührungen durch andere, kann aber durchaus Trost spenden und beruhigen", so die AOK-Expertin.
Zitiert nach einer Meldung des AOK-Bundesverbands vom 26.04.2023.