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Weniger Sterbefälle durch Herzinfarkt und Herzschwäche – keine Entwarnung
Herzbericht: Herzmedizinische Versorgung zeigt Wirkung, aber Gesamtsterblichkeit durch Herzkrankheiten anhaltend hoch.
Die Sterblichkeit durch Herzkrankheiten insgesamt ist in Deutschland im Vergleich zu den Vorjahren wieder leicht gestiegen, wohingegen leichte Rückgänge bei Todesfällen durch Herzinfarkt und Herzschwäche zu verzeichnen sind. Die Anstiege zeigen sich bei den Herzklappen-erkrankungen mit einer Zunahme um mehr als 1.500 auf 19.757 Sterbefälle (2018) und bei den Herzrhythmusstörungen um mehr als 800 auf 30.208 (2018) Gestorbene. Die Herzkrankheit mit der häufigsten Diagnose für eine Krankenhauseinweisung, die koronare Herzkrankheit (KHK), setzt nach einem Rückgang um über 1.600 Sterbefälle auf insgesamt 123.975 (2018) ihren positiven Trend fort und mit ihr der Herzinfarkt mit einer Abnahme um rund 760 Sterbefälle auf 46.207 Gestorbene (2018).
„Dieser Rückgang ist erfreulich und lässt auf eine Verbesserung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung, verbesserte Präventionsmaßnahmen und mehr Kenntnisse der Bevölkerung über Herzkrankheiten schließen. Diese Entwicklung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die koronare Herzkrankheit, die Grunderkrankung des Herzinfarkts, jährlich mit fast 626.000 Krankenhausaufnahmen und einer weiterhin hohen Sterblichkeit verbunden ist“, betont Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, anlässlich der Vorstellung des Deutschen Herzberichts 2019. Der Herzspezialist sieht dabei eine Verlagerung der KHK-Sterblichkeit mehr in die erkrankungskritischen älteren Bevölkerungsanteile bei Männern ab 55 Jahren und älter und bei Frauen ab 70 Jahren und älter: „Über die zweifelsohne erfolgreiche Apparatemedizin hinaus muss viel mehr in die kardiovaskuläre Vorsorge investiert werden.“ Neben Alter und Genetik verursachen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes oder Übergewicht die KHK und den Herzinfarkt. Diese Risikofaktoren sind mit Lebensstiländerungen auch zusätzlich zur Therapie gut beeinflussbar. „Diesen Hebel müssen wir mit Hilfe von Präventionsprogrammen noch stärker nutzen. Prävention braucht aber auch mehr Gewicht in der Politik“, fordert Herzstiftungs-Vorstand Voigtländer.
Die KHK ist in 70 Prozent der Fälle Hauptursache der chronischen Herzschwäche, die zu mehr als 456.000 Klinikeinweisungen pro Jahr führt und an der jährlich fast 38.000 Menschen pro Jahr sterben. Trotz aller Fortschritte in der Herzmedizin sterben in Deutschland immer noch die meisten Menschen an einer Herzkrankheit (z. B. Herzinfarkt, Herzschwäche, plötzlicher Herztod) oder Kreislauferkrankung (z. B. Schlaganfall, Bluthochdruck, Lungenembolie). Mit mehr als 345.274 Sterbefällen allein im Jahr 2018 sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Haupttodesursache in Deutschland eine enorme Herausforderung für das Gesundheitswesen.
Regionale Sterblichkeitsunterschiede bestehen fort
Daten des Herzberichts dokumentieren die seit Jahren bekannte unterschiedlich hohe Sterblichkeit an Herzkrankheiten zwischen den Bundesländern. Am Herzinfarkt zeigt sich: Während die niedrigste Sterbeziffer Schleswig-Holstein mit 28,5 Gestorbenen pro 100.000 Einwohner (EW), Nordrhein-Westfalen (39) und Hamburg (44,2) haben, ist die Sterblichkeit am höchsten in Brandenburg (72,2), Sachsen-Anhalt (69,3), Mecklenburg-Vorpommern (67,7) und Thüringen (64,4). „Auffällig ist, dass die Sterblichkeits-rate für Herzinfarkt zwischen 2016 und 2018 in allen Bundesländern – mit Ausnahme von Berlin und Thüringen – spürbar gesenkt werden konnte“, berichtet Voigtländer. „Neben demographischen Aspekten könnten Verbesserungen in der medizinischen Versorgung, aber auch eine verbesserte Prävention zu dieser Entwicklung beigetragen haben.“ Regionale Unterschiede bleiben jedoch bestehen. So haben die östlichen Bundesländer die höchsten Werte bei den Sterbeziffern für Herzinfarkt und KHK. Welchen Einfluss Faktoren wie Raucheranteil, Erwerbsstatus, Häufigkeit von Begleit-erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht für diese Unterschiede haben, bedarf weiterer Analysen. „Ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung der Herzinfarkt-sterblichkeit auf Landesebene sind Herzinfarkt-register zur wissenschaftlichen Untersuchung der Infarktversorgung. Das gilt auch für Anstrengungen von Behörden, Ärztenetzwerken, Krankenkassen und Aktionsbündnissen in der Bevölkerungsaufklärung zu Themen wie Vorsorge, Ursachen und Symptome von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie richtiges Notfallverhalten“, so Voigtländer. Beispiel für eine gelungene Aktion ist die als „Herzwoche“ angelegte Aufklärungskampagne in Sachsen-Anhalt. Ziel ist es u. a., die Bevölkerung zu sensibilisieren, bei Herzinfarkt oder anderen Herznotfällen sofort den Rettungsdienst (Notruf 112) zu rufen und nicht abzuwarten.
Mehr Sterbefälle durch Herzrhythmusstörungen und Herzklappenkrankheiten
Während die Sterblichkeit durch Herzschwäche und koronare Herzkrankheit im Vergleich zum Vorjahr leicht abnehmen, sind für Herzrhythmusstörungen und Herzklappenerkrankungen merkliche Anstiege feststellbar. Bei beiden Herzkrankheiten dürften diese Anstiege auch mit dem hohen Alter eines Großteils der Betroffenen (65- bis 75-Jährige und über 75-Jährige) zu erklären sein. Je nach Art und Schweregrad der Herzrhythmusstörung können u. a. Schlaganfall – als Folge der häufigsten Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern – oder plötzlicher Herztod aufgrund bösartiger Herzrhythmusstörungen (Kammerflimmern) die Todesursache sein. „Hier sehen wir Verbesserungs-potenzial in der Prävention und frühzeitigen Behandlung der häufigsten Ursachen lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen wie KHK/Herzinfarkt, Bluthochdruck und Herzmuskelerkrankungen sowie Herzmuskelentzündung“, betont der Kardiologe am Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt am Main.
Bei den Herzklappenkrankheiten ist die Altersstruktur der Patienten insbesondere bei Klappenerkrankungen des höheren Lebensalters wie die degenerative Aortenklappenstenose ein bedeutsamer Faktor für die konstant hohen Krankenhausaufnahmen und die tendenziell seit 2011 steigende Sterblichkeit. Zweithäufigste Klappenerkrankung ist die Mitralklappen-insuffizienz. „Beide Herzklappenkrankheiten können, wenn sie zu spät erkannt und behandelt werden, den Herzmuskel schwer schädigen bis hin zu Herzschwäche und schlimmstenfalls plötzlichem Herztod. Die Sensibilisierung der Bevölkerung für Klappen-erkrankungen und ihre Symptome wie Luftnot oder Angina-pectoris-ähnliche Brustschmerzen gewinnt daher an Bedeutung“, warnt der Kardiologe. Auffallend groß erscheinen die Geschlechtsunterschiede bei den Sterbeziffern (Gestorbene pro 100.000 EW), die für Frauen bei den Herzklappenerkrankungen um 42,7 Prozent höher als bei Männern (Frauen: 27,9/Männer: 19,6 pro 100.000 EW) ausfallen und bei den Herzrhythmusstörungen um 48,6 Prozent höher als bei Männern (Frauen: 43,4/Männer: 29,2).
Entwicklungen bei Herzschwäche: Anstieg bei den Erwerbsfähigen
Die entgleiste Herzschwäche (Dekompensation) zählt zu den Herzkrankheiten mit den häufigsten vollstationären Aufnahmen in eine Klinik. Der Leidensdruck bei dekompensierter Herzschwäche ist mit Luftnot, Leistungsschwäche und Flüssigkeitseinlagerungen groß. Auffällig ist nach einem Anstieg der Krankenhaus-aufnahmen im Jahr 2017 um ca. 9.000 Fälle auf 464.724, ein Rückgang um ca. 8.700 vollstationäre Aufnahmen auf 456.012 (2018). Eine verbesserte Therapie und Präventionsmaßnahmen können diesen Rückgang nur zum Teil erklären. „Vermutlich führt zu diesem Rückgang die zunehmend bessere Infarktversorgung, wodurch es zu weniger großen Herzinfarkten und damit zu weniger Herzschwäche-Fällen kommt“, erklärt der Intensivmediziner. Mit der Herzschwäche ist je nach Schweregrad und Begleiterkrankungen wie COPD, Nierenfunktionsstörung oder Herzrhythmusstörungen ein hoher Leidensdruck verbunden. „Mit Sorge beobachten wir, dass sich seit 2011 ein Anstieg der Krankenhausaufnahmen bei Menschen im erwerbsfähigen Alter, den 45- bis unter 65-Jährigen, um 11,5 % feststellen lässt. Hier bedarf es womöglich gezielter Prävention und mehr gezielter ambulanter Versorgungsangebote.“ Auch müsse durch bessere Aufklärung mehr Aufmerksamkeit in der Bevölkerung für die krankheitstypischen Symptome, Ursachen und Therapiemöglichkeiten der Herzschwäche geschaffen werden
Mehr Frauen als Männer sterben an Herzkrankheiten:
Weiterhin auffällig ist die höhere Sterblichkeit bei Frauen. Bei Betrachtung aller Herzkrankheiten starben 2018 mehr Frauen als Männer: 109.833 (51,7 %) Frauen gegenüber 102.422 Männern (48,3 %). Frauen mit Herzklappen-krankheiten, Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche scheinen eine ungünstigere Prognose als Männer mit diesen Erkrankungen zu haben. Bei Herzklappenkrankheiten liegt die Sterbeziffer um 42,7 % höher, bei Herzrhythmusstörungen um 48,6 % und bei Herzschwäche um 65,5 % höher als bei Männern. In absoluten Zahlen: 2018 starben 23.735 Frauen gegenüber 13.974 Männern an Herzschwäche und 18.247 Frauen gegenüber 11.961 Männern an Rhythmusstörungen. Beim akuten Herzinfarkt und bei KHK haben Männer eine schlechtere Prognose als Frauen. Inwiefern für dieses Gefälle neben epidemiologischen Faktoren auch Aspekte wie geschlechtsspezifische Unterschiede in Genetik und Anatomie von Herz und Gefäßen, Unterschiede in der Wirkung von Herz-Kreislauf-Medikamenten oder eine Unterversorgung in der Diagnostik und Therapie zuungunsten von Frauen eine Rolle spielen, bedarf der weiteren Analyse.
Der Deutsche Herzbericht wird von der Deutschen Herzstiftung zusammen mit den ärztlichen Fachgesellschaften für Kardiologie (DGK), Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) sowie Kinderkardiologie (DGPK) alljährlich herausgegeben.
Zitiert nach einer Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung vom 12.11.2020
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