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Wenn das Gehirn erkrankt, kann das Herz brechen
Hirnerkrankungen wie ein Schlaganfall können ein Broken-Heart-Syndrom auslösen. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), die diesen Zusammenhang erstmals systematisch aufgearbeitet haben.
Sieben Prozent aller Broken-Heart-Syndrome geht eine akute neurologische Erkrankung voraus. Dabei handelt es sich überwiegend um Schlaganfälle, Hirnblutungen und epileptische Anfälle. Immerhin etwa jeder fünfte bis sechste körperliche Trigger ist damit eine akute Hirnerkrankung. Beide Ereignisse folgen zeitlich dicht aufeinander, innerhalb von ein bis zwei Tagen nach der akuten Gehirnerkrankung trat das Takotsubo-Syndrom (TTS), das auch Broken-Heart-Syndrom genannt wird, mehrheitlich auf. Auffällig war, dass bei den untersuchten Daten der Anteil der Männer mit 18 bis 20 Prozent fast doppelt so hoch war wie sonst beim TTS beobachtet. „Allgemein betrifft das Broken-Heart-Syndrom meist über 50-jährige Frauen, doch hier waren es mehr Männer und jüngere Patienten als wir üblicherweise beim Takotsubo-Syndrom sehen“, sagt Erstautor Professor Jan Scheitz von der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie und vom Centrum für Schlaganfallforschung Berlin (CSB) der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Scheitz ist darüber hinaus Teilnehmer des Advanced Clinician Scientist Programm der Charité und des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), das wissenschaftlich tätige Ärzte in Führungspositionen unterstützt.
Für ihre Studie analysierten er und seine Kollegen aus Berlin und vom Universitätsspital Zürich Daten von 2.402 Patienten aus dem internationalen Takotsubo-Register, an dem sich 45 Zentren aus 14 Ländern beteiligen. Dabei wählten sie nur Personen aus, für die vollständige Informationen zu akuten neurologischen Erkrankungen vorlagen. Klassische Auslöser für ein TTS sind emotional sehr belastende Ereignisse oder körperlicher Stress wie starke Schmerzen. Berichte von einzelnen Patienten legten bereits nahe, dass auch neurologische Erkrankungen TTS hervorrufen können.
Schwerer Verlauf tritt häufiger auf
Obwohl die Beschwerden denen bei einem Herzinfarkt ähneln, sind bei einem TTS keine Herzkranzgefäße verengt oder verstopft. Es handelt sich vielmehr um eine Herzmuskelerkrankung, bei der die linke Herzkammer sich typisch verformt. Die Form erinnert an eine japanische Tintenfisch-Falle namens „Tako-Tsubo“. Die Erkrankung verläuft meistens gutartig und kann sich vollständig zurückbilden. Trotzdem sind schwerwiegende Komplikationen, wie lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen oder ein plötzlicher Herztod möglich. Scheitz und seine Kollegen beobachteten, dass solche schweren Verläufe bei Patienten mit vorangegangenen neurologischen Erkrankungen häufiger auftraten. „Es ist bemerkenswert, dass eine Hirnerkrankung das Herz so durcheinanderbringen kann und belegt einmal mehr, wie eng Herz und Gehirn verbunden sind“, so Scheitz.
TTS sei damit eine mögliche Komplikation, an die Neurologen nach einer akuten Hirnerkrankung wie einem Schlaganfall unbedingt denken sollten. Vor allem weil bei neurologischen Patienten die typischen Beschwerden wie Luftnot, Schmerzen und Engegefühl in der Brust nicht so häufig sind. Eventuell können sie diese auch nicht äußern, da sie zum Beispiel nach einem epileptischen Anfall bewusstlos sind oder nach einem Schlaganfall nicht sprechen können. Die behandelnden Ärzte sollten deshalb in dem kurzen kritischen Zeitraum der ersten wenigen Tage nach Krankenhausaufnahme die Blutwerte stärker auf eine Herz-Beteiligung untersuchen und die Patienten länger per EKG überwachen.
Originalpublikation: Cammann VL*, Scheitz JF*, von Rennenberg R, et al. Clinical correlates and prognostic impact of neurologic disorders in Takotsubo syndrome. Sci Rep. 2021;11(1):23555. Published 2021 Dec 7.
DOI: 10.1038/s41598-021-01496-9
Kontakt: Christine Vollgraf, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Tel.: 030 3465 529 02, presse(at)dzhk.de
Wissenschaftlicher Ansprechpartner: Professor Jan F. Scheitz, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie und Centrum für Schlaganfallforschung Berlin, jan.scheitz(at)charite.de
Zitiert nach einer Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung vom 25.01.2022