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Zu wenig Resilienz: Deutsche müde, erschöpft und antriebslos
Die seelischen Probleme der Deutschen haben zugenommen. Der Andrang auf Psychiater:innen in Praxen und Kliniken sowie auf Psychoterapeut*innen erreichte 2022 einen Höhepunkt: 97 % hatten mehr oder gleich viele Terminanfragen als vor der Corona-Zeit, 2020 waren es 66 %. Dies sind Ergebnisse der Studie „Psychische Gesundheit in der Krise“ der Pronova BKK, für die im Januar und Februar 2023 insgesamt 150 Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen befragt wurden.
Die vergangenen drei Jahre waren geprägt von Krisen, die sich massiv auf das Seelenleben der Deutschen ausgewirkt haben. Aus zwei durchstandenen Jahren im Zeichen der Corona-Pandemie gehen viele Menschen nicht gestärkt hervor, sie benötigen psychische Hilfe. Nur 3 % der befragten Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen hatten 2022 weniger Anfragen von Patient*innen, im ersten Corona-Jahr 2020 gingen die Nachfragen noch bei 34 % der Befragten zurück.
Im multiplen Krisenjahr 2022 haben die Terminanfragen in Kliniken und Praxen im Vergleich zum Vorjahr nochmals um 22 Prozentpunkte zugenommen. Bei allen Befragten stellte 2022 das bisher stärkste Jahr dar: 80 % hatten mehr Anfragen als vor der Pandemie, im Vorjahr waren es 58 % und im ersten Corona-Jahr 35 %. Den größten Andrang verzeichneten niedergelassene Psychiater*innen: 84 % hatten mehr Anfragen als vor der Corona-Pandemie. Der stärkste Anstieg der Anfragen im Vergleich zum Vorjahr betraf die Psychiater*innen in Kliniken (76 % zu 38 %).
Hohe Dunkelziffer bei psychischen Problemen
„Die psychische Erkrankungslast bedingt durch die Corona-Pandemie sowie die weiteren Krisen des Jahres 20222 ist enorm hoch. Die Menschen kommen mit höherem Leidensdruck als in den Vorjahren zu uns”, sagt Dr. med. Sabine Köhler, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. „Politik und Medizin hatten zunächst darauf gehofft, dass die Beschwerden mit jeder weiteren milder verlaufenden Corona-Welle weniger werden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Andrang nimmt weiter zu, psychische Probleme verstärken sich auch 2022 erneut. Die Menschen haben kaum eine Chance gehabt, nach einer Krise durchzuatmen und Resilienz aufzubauen.“
Hinzu kommt, dass die Terminanfragen in den Praxen und Kliniken nur die Spitze des Eisbergs bilden: 93 % der Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen gehen davon aus, dass die Dunkelziffer psychischer Probleme sehr hoch ist – also viel mehr Menschen betroffen sind, als in ihrer Praxis erscheinen.
Depressionen und Schlafstörungen erreichen ihren Höhepunkt
Die häufigste Diagnose im Jahr 2022 lautete „Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit“, 84 % der Befragten stellten dies bei ihren Patient*innen fest, 2020 wurde dies nur von 39 % diagnostiziert. Auch Traurigkeit (77 %) hat gegenüber 2020 um 31 Prozentpunkte zugenommen. Schlafstörungen sind laut 73 % im vergangenen Jahr besonders häufig festgestellt worden, ein Anstieg um 18 Prozentpunkte gegenüber 2021, davor waren sie bereits um 14 Prozentpunkte angestiegen. Neue Patient*innen suchten vor allem aufgrund von Traurigkeit (93 %) und Müdigkeit (92 %) psychologische Hilfe. Bei schon vor der Pandemie sich in Behandlung befindender Patient*innen haben die Krisen meist Überforderung im Familienleben oder im Homeoffice ausgelöst.
Schlafstörungen und auch Depressionen haben 2022 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Insgesamt diagnostizierten Psychiater*innen und Psychotherapeut*innen seit Beginn des ersten Corona-Jahres besonders häufig Depression und Angststörung, die von Jahr zu Jahr zunahmen. Im vergangenen Jahr lautete die Diagnose bei 83 % der Befragten Depression, 2020 waren es 50 %, im zweiten Corona-Jahr (2021) 74 %.
„Depressionen und depressive Verstimmungen waren nicht etwa während der Isolation in den Lockdowns besonders verbreitet, sondern 2022. Oft bauen sich die Probleme über Monate oder Jahre auf und die Menschen suchen sich erst bei hohem Leidensdruck professionelle Hilfe”, sagt Fachärztin Dr. Köhler. „Neben der Pandemie haben auch weitere Krisen wie Inflation oder Ukraine-Krieg Depressionen ausgelöst oder verstärkt.“ 92 % gaben in der Studie an, Depressionen und depressive Verstimmungen hätten durch aktuelle Krisen zugenommen.
Über die Studie
Für die Studie „Psychische Gesundheit in der Krise 2023“ wurden im Januar und Februar 2023 bundesweit 150 Personen online befragt, darunter 50 Klinikpsychiater*innen, 50 niedergelassene Psychiater*innen und 50 Psychotherapeut*innen.
Zur Studie „Psychische Gesundheit in der Krise 2023"
Zitiert nach einer Pressemitteilung der Pronova BKK vom 16.03.2023